Sonntag, 17. Dezember 2023

Santana – Inner Secrets (45th Anniversary Edition 2023)

Die Überraschung ist perfekt, als ich die seit Jahren vertraute LP „Inner Secrets“ 1988 erstmals auf CD höre. Der dritte Song „One Chain (Don‘t Make No Prison)“ ist nämlich, ohne dass dies irgendwo erwähnt wird, die mit 7:12 um knapp eine Minute längere Maxiversion des LP-Titels. Mit glucksendem Bass und etwas schneller abgespielt gerät er noch tanzgerechter als das passend zum Erscheinungsjahr 1978 ohnehin schon im Disco-ähnlichen Sound gehaltene Original – wobei Santana mit der typischen Percussion nicht spart.


Am 15. Dezember 2023 erscheint „Inner Secrets“ als „45th Anniversary Edition“ in transparentem, leuchtend rotem 180-Gramm-Vinyl, limitiert auf 3.000 einzeln durchnummerierte Exemplare (ich habe die Nummer 85). Schon bei der Bestellung Wochen vorher bin ich gespannt, welche Version von „One Chain (Don‘t Make No Prison)“ sich darauf befinden wird.


Nun gibt es die Antwort: Obwohl auf dem Label die Länge der LP-Version (6:13) angegeben ist, hören wir die CD-Version. Die neue Vinylscheibe ist also – abgesehen von der Farbe – auch von der Musik her nicht mit der ursprünglichen LP identisch.

Sonntag, 26. November 2023

Santana – Black Magic Woman/Gypsy Queen (1970)

„Abraxas“, das zweite Album von Santana, erschien 1970. Es enthält mehrere Songs, die große Hits wurden, beispielsweise „Samba Pa Ti“, „Oye Como Va“ und „Black Magic Woman/Gypsy Queen“.

Santana – mit „Black Magic Woman/Gypsy Queen“ (1970)
Das von Peter Green (dem frühen Kopf und Mitbegründer von Fleetwood Mac) geschriebene „Black Magic Woman“ wirkt bei Fleetwood Mac recht herb und farblos. Bei Santana hingegen blüht es förmlich auf und ist ohne das geniale Keyboard-Intro von Gregg Rolie sowie das angehängte „Gypsy Queen“ von Gábor Szabó kaum noch vorstellbar. Die fabelhafte Kopplung dieser beiden Coverversionen erfreut uns auf diversen Livealben und natürlich in den meisten Konzerten. Selbst die Jazzsängerin und Pianistin Patricia Barber spielt ihre moderne Interpretation von „Black Magic Woman“ in der Santana-Version mit dem Rolie-Intro und – als ginge es nicht anders – dem angehängten „Gypsy Queen“.

„Peter Green erhält die Tantiemen“, stellt Carlos fest. „Doch es ist jetzt unser ‚Black Magic Woman‘. Für mich kommt ‚Black Magic Woman‘ von ‚All Your Love (I Miss Loving)‘ [singt es vor]. Für mich ist es dasselbe Ding, nur mit einem anderen Text. Mindestens zwei- oder dreimal im Jahr überweise ich einen nennenswerten Betrag an Otis Rush. Ich muss … und ich werde es weiterhin tun, um den Song zu ehren, den ich jeden Abend spiele“.

Otis Rush – mit „All Your Love (I Miss Loving)“ (1958)
„Michael Shrieve [Schlagzeug] stieß mich auf diesen Song“, erinnert sich Gregg Rolie. „Er wusste, dass ich ein Fan von Peter Green war, als er bei den Bluesbreakers den Song ‚Supernatural‘ spielte. Er war ein außergewöhnlicher Gitarrist – das ist er noch immer. Michael brachte mir also ein Fleetwood-Mac-Album [vermutlich ‚English Rose‘] mit und fragte, ob es mir gefällt. Ich pickte mir diesen Song heraus und liebte ihn. Bei meiner Keyboard-Eröffnung spielte ich die Noten A, C und D. Und Carlos meinte: ‚Nimm ein H dazu‘.“ Die Folge von 13 Keyboardtönen (C-D-A-C-D-A-H-D-C-D-A-C-D) wird mehrfach wiederholt. Es geht jeweils um den siebten Ton, bei dem ein H das ursprüngliche C ersetzt. „Ich fragte mich erst, was das soll. Doch tatsächlich veränderte dieses simple H alles und machte daraus unser Markenzeichen“.

© Pearce Marchbank, Ellen Dale: „Santana“ (28 Songs) (1974)
„Es ist zunächst ein Piano-Intro mit Becken, die Michael Shrieve und ich uns ausdachten“, erklärt Michael Carabello [Congas] weiter. Dann setzt die Percussion ein, die den Beat aufgreift, der direkt vorher schon „Singing Winds, Crying Beasts“ antreibt. „Es ist ein hübscher kleiner brasilianischer Beat, den ich damals als Teenager bei den Congasessions im Aquatic Park gelernt habe. Und Michael Shrieve begleitet ihn mit seinen Becken instinktiv ebenfalls in brasilianischer Weise“.

„Wir haben es nie arrangiert“, so Carlos. „Es ergab sich einfach so. Ich habe nie geahnt, dass es ein so wichtiger Bestandteil unserer Identität werden würde. Das einzige Arrangement bestand darin, zu spielen. Niemand hat es im engeren Sinne für die Band arrangiert. Wir sagten, lasst uns dies ausprobieren, ich spiele das und du versuchst jenes – so ungefähr“.

Fleetwood Mac – mit „Black Magic Woman“ (1968)
Gregg Rolie ist es, der „Black Magic Woman“ in die Band bringt, nachdem Michael Shrieve ihn darauf gestoßen hat. „Ich liebte den Song und ich liebe ihn noch immer. Okay, heute fühlt es sich ein bisschen anders an, doch er ist ein Stück von mir. Und wenn ich den Song nach vierzig Jahren noch immer gerne spiele, muss er wirklich etwas ganz Besonderes an sich haben. Es ist seine Einfachheit. Es ist ein rundherum guter Song mit einer Blues-Basis, die absolut mir entspricht und die jeder versteht. ‚Black Magic Woman‘ ist das einzige Stück, das ich in meiner Zeit bei Santana nur einmal gesungen habe. Mit anderen Worten: Ihr hört, was ich beim ersten Mal gesungen habe. Ich habe absolut nichts daran geändert. Ich habe zwei Strophen gesungen, dann ging etwas im Studio kaputt, was sie reparieren mussten. Vielleicht zwanzig Minuten später kam ich zurück, sang die letzte Strophe und das war‘s“.

Gábor Szabó – mit „Gypsy Queen“ (1966)
Für „nie arrangiert“ ist das Arrangement herausragend. Besondere Aufmerksamkeit verdient die zwölfsekündige Brücke zu „Gypsy Queen“, die es in sich hat. Großartig ist etwa, wie David Brown mit seinem Bass entspannt den Tempowechsel begleitet. Der Bass-Lick aus acht absteigenden Tönen am Ende von „Black Magic Woman“ stammt aus dem Original von „Gypsy Queen“ auf dem Album „Spellbinder“, wo Szabó ihn zum Ende hin dreimal in ähnlicher Weise seiner Gitarre entlockt.

Jimi Hendrix – mit „3rd Stone from the Sun“ (1967)
Noch während der Bridge und genau einen Takt, bevor Carlos das „Gypsy Queen“ anstimmt (ab 3:43), startet ein anhaltender Groove wie bei „3rd Stone from the Sun“ von Jimi Hendrix. Es ist die Passage auf dem Hendrix-Album „Are You Experienced?“ mit dem treibenden Bass von Noel Redding und dem filigranen Schlagzeug von Mitch Mitchell (ab 2:30). Jahre später bestätigt Carlos: „‚Gypsy Queen‘ ist purer Gábor Szabó mit einem bisschen Jimi“. Wobei man darüber diskutieren kann, ob der Grundrhythmus in Santanas „Gypsy Queen“ sich eher an Gábor Szabós Vorlage oder ebenfalls an „3rd Stone from the Sun“ orientiert. Tatsächlich ist es wohl ein Mix von beidem – und beides passt unglaublich gut zusammen. Mir scheint, dass der Groove mit Reddings Basslauf nach der Bridge einfach von David Brown beibehalten und Szabós Melodie hinzugefügt wird. Und die feinziselierten Drum Pattern von Mitchell teilen nun Congas, Timbales und Schlagzeug gekonnt untereinander auf. Carabello, „Chepito“ und Shrieve – jeder erhält seinen eigenen Einsatz. Das Ergebnis ist jedenfalls richtig stark und unterstreicht die Klasse und den Teamgeist dieser Percussionsection. Je mehr ich mir dieser feinen Details bewusstwerde, desto größer wird mein Respekt vor der kreativen Leistung der Santana-Musiker und desto mehr schätze ich dieses Meisterwerk.

Donnerstag, 2. November 2023

Fillmore-Plakat (1968) wird Santana-Cover (1969)

Wenige Tage nach dem Woodstock-Konzert erscheint das Debütalbum von Santana mit Songs wie „Evil Ways“, „Jingo“ und „Soul Sacrifice“. Den afrikanischen Einfluss unterstreicht das bemerkenswerte Cover. Auf den ersten Blick zeigt das Vexierbild den Kopf eines Löwen. Bei genauerem Betrachten löst er sich auf in eine schreitende Eingeborene, sieben ihren Kopf umgebende Gesichter sowie eine kleine, auf ihrem Kopf stehende Gestalt mit erhobenen Armen. Auf einer großen LP kommt das natürlich viel besser zur Geltung als auf einer kleinen CD.


Die Vorlage liefert ein Fillmore-Konzertposter von Lee Conklin, der von Januar 1968 bis Mai 1969 für Bill Graham arbeitet und 31 Poster entwirft. Darunter befindet sich ein Plakat (Katalognummer BG-134) für Auftritte im Fillmore West vom 27. August bis zum 1. September 1968 von Steppenwolf, den Staple Singers, Santana, den Grateful Dead, der Preservation Hall Jazz Band und den Sons of Champlin, alles begleitet von der Liquid Light Show von Holy See. Üppig verschnörkelte Schriftzüge dieser Namen umfließen den Löwenkopf. „Market at Van Ness” meint die Adresse des Fillmore West (Ecke Market Street – South Van Ness Avenue).

Quelle: The New Fillmore
Die Santana-Musiker bitten Conklin, dieses Motiv für ihr erstes Album noch einmal neu zu zeichnen. Was für eine wunderbare Eingebung! Sein für die LP etwas harmonischer gestalteter Löwenkopf passt perfekt zu ihrer Musik. So wird das Cover ein Teil der Identität von Santana.

Montag, 23. Oktober 2023

„Mr. Udo“ gestorben

Auf „Lotus“ befindet sich ein Song mit dem Titel „Mr. Udo“. Er strahlt dank der jodelähnlichen Stimmakrobatik von Leon Thomas eine exotische Faszination aus.


Der Song ist eine Hommage an Seijiro Udo, einen angesehenen Promoter, der auch die 1973er-Tour Santanas durch Japan betreut, bei der „Lotus“ aufgenommen wird. Er ist quasi der japanische Bill Graham oder Claude Nobs. Als Erster holt er große, westliche Rockmusiker und Bands – so auch Santana, Bob Dylan und Eric Clapton – nach Japan. Er schätzt deren Musik und behandelt die Künstler mit ausgesuchtem Respekt.

Carlos bezeichnet ihn als „erleuchteten Musikliebhaber (…). Er hat nie aufgehört, an Santana und an unsere Musik zu glauben – niemals. Er ist immer würdevoll, elegant gekleidet und kennt großartige Geschichten. Wenn er lacht, hält er sich nicht zurück. Er ist ein weiterer Hüter der Flamme, einer der Engel, die zur rechten Zeit kamen, um uns zu führen und zu unterstützen. Mr. Udo ist der einzige Veranstalter, mit dem ich in Japan je zusammengearbeitet habe“.

Seijiro Udo stirbt am 15. Oktober 2023 im gesegneten Alter von 92 Jahren an Altersschwäche.

Donnerstag, 5. Oktober 2023

CARLOS – Gedanken zum Kinofilm (2023)

Seit dem 29. September 2023 läuft „CARLOS“, die Dokumentation von Rudy Valdez über Carlos Santana, weltweit in den Kinos. Ich habe den Film bei einer Premiere vor dem offiziellen Kinostart besucht (die Fotos in diesem Beitrag zeigen im Kino eingefangene Szenen aus dem Film), finde ihn interessant und kurzweilig, doch er bietet wenig Neues. Was nicht in meinem Buch „Sechs Jahrzehnte SANTANA“ steht, lässt sich ausführlich in Carlos‘ Biografie nachlesen. Dies gilt insbesondere für Details aus seinem Privatleben, die mit der Bandgeschichte wenig zu tun haben. Wer keins der Bücher kennt, erfährt im Film allerdings viele sehr persönliche und berührende Geschichten. Carlos erzählt unter anderem vom schwierigen Verhältnis zu seinen Eltern, das zum Glück eine positive Wendung nahm. Sein Vater – selbst Musiker – hat ihn offensichtlich sehr geprägt und folgte seiner Entwicklung aufmerksamer, als Carlos es lange wahrhaben wollte.

© Imagine Documentaries/Sony Music Entertainment
Wie der Titel schon nahelegt, sollte es ein Film über Carlos werden. Auf ihn richtet sich also der Fokus der Dokumentation. Diese Perspektive ist zwar recht einseitig. Doch Santana-Bandkollegen ins Spiel zu bringen hätte verlangt, auch ihre Verdienste zu würdigen, und dann wäre das Thema nicht mehr ausschließlich Carlos gewesen. Daher ist die Vorgehensweise konsequent.

© Imagine Documentaries/Sony Music Entertainment
Viele Songs werden angespielt, keiner ausgespielt. Dies lässt sich ebenfalls mit dem gewählten Fokus erklären – dass es nämlich um diesen einen Musiker geht, weniger um die Musik. Von Santana und anderen hören wir meist nur kleine Soundschnipsel, die Appetit auf mehr machen. Nach dem Kinobesuch zu Hause angekommen besteht folglich erstmal Nachholbedarf.

© Imagine Documentaries/Sony Music Entertainment
Carlos doziert über die Unterschiede von Legato und Stakkato beim Gitarrenspiel und hebt hervor, wie er mit langgezogenen Tönen (Legato), die ihn einst zum Melody-Man machten, Gefühle anspricht. Doch seit Jahren spielt er bei neueren Songs häufig Stakkato, wobei Gefühle auf der Strecke bleiben und er seiner Philosophie untreu wird.

© Imagine Documentaries/Sony Music Entertainment
Und die von Bill Graham geschilderte Begebenheit, wie Carlos bei ihrer ersten Begegnung über ein Vordach ins Fillmore eingestiegen ist, ist eine hübsche Anekdote. Ich zitierte sie auch in meinem Buch „Carlos Santana und Band“ (2008), habe sie im neuen Buch jedoch ganz bewusst herausgenommen, weil sie einige Ungereimtheiten aufweist und weil Carlos selbst sie bestreitet. Warum taucht sie dann im Film auf?

© Imagine Documentaries/Sony Music Entertainment
Schließlich stecken Fehler in den Untertiteln und im Abspann (wenn ich das ohne Rückspulmöglichkeit korrekt wahrgenommen habe), was schlichtweg Schlamperei ist. So kommen doch einige Kritikpunkte zusammen. Insgesamt bleibt der Film ein wenig hinter meinen Erwartungen zurück. Positiv finde ich indes, dass kein Starkult um Carlos getrieben, sondern dass er als ziemlich normaler Mensch gezeigt wird. Für Carlos-Fans ist der Film vermutlich großartig. Für Santana-Fans fehlt einiges.

Montag, 11. September 2023

Carlos Santana – Havana Moon (1983)

1983 erscheint „Havana Moon“, ein Soloalbum von Carlos Santana. Beim Titelsong, um den es hier geht, begleiten ihn neben Santana-Musikern auch Booker T. Jones und die Fabulous Thunderbirds (Jimmie Vaughan, Fran Christina, Kim Wilson, Keith Ferguson).


Wir hören eine Coverversion des Songs „Havana Moon“ von Chuck Berry (1956). Dessen Vorlage ist wiederum der „Calypso Blues“ von Nat King Cole (1951), bei dem jener nur von Congas begleitet singt. Hier ist die Idee für „Havana Moon“ greifbar – anders als bei einer modernen Reggae-Fassung des „Calypso Blues“ von Calypso Rose (2018).

Zum Rhythmus und der Melodie von Nat King Cole fügt Berry die traurige Geschichte eines Kubaners, der auf sein American Girl wartet. Sie haben sich in New York kennengelernt, eine Nacht durchgetanzt und sie möchte ihn offenbar in ihre Heimat holen. Doch ihr Schiff verspätet sich. Mitternacht ist vorbei, der Mond steht tief und der Wind weht kräftig. In seiner Einsamkeit öffnet der Wartende den mitgebrachten Rum und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Während er seinen Rausch ausschläft, kommt das Schiff und fährt wieder – mitsamt dem enttäuschten American Girl. Die Träume des Kubaners von einem besseren Leben lösen sich dabei in Luft auf.

Ich finde es bemerkenswert, wie Chuck Berry diese Tragödie über eine verpasste Gelegenheit mit Perspektivwechseln vom Ich-Erzähler zum außenstehenden Erzähler und zurück in so wenige knappe Zeilen fasst. Gekonnt verwendet er das in der Karibik verbreitete Pidgin-English („Me grab me shoes, me jump and me run …“) und zeichnet die Geschichte mit den kräftigen Pinselstrichen seiner Verse. Und großartig ist einmal mehr, wie Santana das spartanische Original in einem fantastischen Arrangement mit viel Percussion erst richtig zum Leben erweckt und fließen lässt und dabei sogar den Text noch strafft.

Samstag, 26. August 2023

Santana in Ost-Berlin 1987

Am 5. und 6. April 1987 gab Santana zwei dreistündige Konzerte im Palast der Republik in Ost-Berlin. Der Auftritt am 6. April wurde live im DDR-Fernsehen übertragen. Aber das ist eine andere Geschichte.


Heute überraschte und begeisterte mich ein Freund mit einer alten Zeitschrift aus jener Epoche. Im DDR-Jugendmagazin „neues leben“ (Heft 7/87, Seiten 4–11) befindet sich ein längerer Artikel über die Band und ein zusammengefasstes Interview mit Carlos, das mir bislang unbekannt war. Danke, Thilo …


Auf Seite 9 ist eine Widmung von Carlos abgedruckt, für deren Entzifferung ich eine Weile brauchte und die sich als ungeahnt aktuell erweist: „To all in ‚new life neues-leben‘ may God bless you with Eternal Peace. True Gratitude Carlos Santana“.

Der Artikel enthält neben einigen kleineren Ungenauigkeiten (die mit der damaligen Datenlage zu entschuldigen sind) auch einen größeren Fehler. In den Steckbriefen der Musiker auf Seite 6 wird dem Keyboarder Chester Thompson nämlich bescheinigt, bei Frank Zappa, Genesis, Tony Banks, Steve Hackett und Weather Report gespielt zu haben. Das stimmt nicht. Die Redakteure übersahen, dass 1985 kurioserweise ein zweiter Chester Thompson als Schlagzeuger bei Santana mitwirkte. Dieser trommelte tatsächlich bei den genannten Acts und kehrte nach seinem kurzen Santana-Gastspiel zu Genesis zurück. Der Keyboard-Chester hingegen kam von Tower of Power und blieb dann 25 Jahre lang bei Santana (siehe „Sechs Jahrzehnte SANTANA“, S. 174).

Donnerstag, 17. August 2023

Kinostart von „Carlos“ am 29. September 2023

Am 29. September soll der Film „Carlos“ in den Kinos anlaufen. Weltweite Premierenaufführungen sind für den 23., 24. und 27. September angekündigt.

Quelle: https://www.carlosglobalpremiere.com
Weitere Infos und Updates gibt es hier. Auf dieser Seite kann man sich für Updates auch registrieren lassen.

Mittwoch, 26. Juli 2023

Jose „Chepito“ Areas – Jose „Chepito“ Areas (CD 2020)

Das 1974 veröffentlichte Soloalbum des großartigen Santana-Timbaleros José „Chepito“ Areas (bei Santana blieb er von 1969–1977) habe ich bereits 2011 vorgestellt (hier). Es gab seit jeher nur die Vinyl-Ausgabe.



Dies änderte sich am 23. September 2020 mit der in Japan hergestellten Blu-spec CD 2. So heißt das Format, welches mit einem blauen statt mit einem roten Laser gebrannt wird und daher eine höhere Auflösung hat. Die Scheibe sollte dennoch auf jedem herkömmlichen CD-Spieler laufen.




Sie steckt wie die LP in einer Papphülle und kommt optisch wie eine kleine Vinylplatte daher. Ausgestattet ist sie zudem mit einem 24-seitigen Booklet. Leider vermag ich die umfangreichen Liner Notes nicht zu lesen, da sie japanisch geschrieben sind. Bei der Musik hingegen gibt es keine Extras. Es sind einfach die neun Titel wie auf der LP. Daher muss ich meiner erwähnten Rezension auch nichts hinzufügen und kann die feine Musik genießen …

Mittwoch, 12. Juli 2023

Neal Schon & Gregg Rolie – Journey Through Time (2023)

Nach den Aufnahmen für „Caravanserai“ (1972) verließen Neal Schon (Gitarre) und Gregg Rolie (Hammondorgel und Gesang) Santana, um 1973 ihr neues Projekt Journey zu gründen. Neal Schon wirkt als einziges Mitglied ohne Unterbrechung noch heute bei Journey. Gregg Rolie stieg 1980 aus, weil er von Tourneen die Nase voll hatte, eine Familie gründen und Soloprojekte verfolgen wollte.


Über die Jahre trafen die beiden immer wieder für gemeinsame Projekte wie „Abraxas Pool“ (1997), „Santana IV“ (2016) oder bei Soloalben aufeinander. Und dann, am 9. Februar 2018, kam es zu einem Benefiz-Konzert im The Independent in San Francisco zugunsten der Opfer der verheerenden Brände in der North Bay im Oktober 2017. Weitere Mitwirkende waren Deen Castronovo von Journey (Schlagzeug und Lead Vocals), Marco Mendoza von Thin Lizzy und Whitesnake (Bass, Lead und Background Vocals) sowie John Varn (Keyboards und Background Vocals). Mit Deen Castronovo ist Neal Schon bereits 1993 bei Paul Rodgers & Company aufgetreten.

Ein Mitschnitt dieses Konzerts wurde am 26. Mai 2023 auf 3 CDs, DVD und Blu-ray veröffentlicht. Darauf befinden sich 29 Songs, nach anderer Zählung sogar 31, denn Track 15 ist ein Dreier-Medley. Es wird dargeboten als Solo von Neal Schon mit Gitarre und Background Vocals und Deen Castronovo nur mit Lead Vocals. Die anderen Musiker verlassen unterdessen die Bühne und das Ende ist durchaus berührend.


Die Spielzeit beträgt 2:41:52. „Journey Through Time“ als Titel ist Programm. Denn 29 von 31 Stücken stammen von Journey, und davon wiederum 24 aus der Zeit mit Gregg Rolie, also von den ersten sechs Alben bis „Departure“. Insofern ist dies quasi eine abendfüllende Journey-Show und dürfte für Fans dieser Band wohl unverzichtbar sein.

Die letzten beiden Titel „Black Magic Woman“ (8:45) und „Oye Como Va“ (4:31) vom Santana-Album „Abraxas“ bilden den krönenden Abschluss. „Black Magic Woman“ kommt in einer Version daher, die man nicht sofort erkennt. Anstelle des Rolie-Intros übernimmt Neal Schon den Einstieg in ein leicht jazziges Arrangement. „Gypsy Queen“ folgt und auch „3rd Stone from the Sun“ von Jimi Hendrix wird eingebaut. Das Ensemble gerät in Flow und liefert eine hörenswerte Interpretation mit spannenden Details ab. So imitieren kurze Beatboxing-Einlagen von Marco Mendoza die fehlende Percussion. Und wie von „Abraxas“ gewohnt schließt sich „Oye Como Va“ an. Klasse!

Insgesamt ist dies eine sehr schöne Aufnahme. Wenn ich etwas bemäkeln will, dann die unruhige und stockende Kameraführung. Das ist freilich eher ein optisches Problem. Die Musik ist wunderbar und von Journey wurden feine Stücke ausgewählt – von Santana sowieso.

Und hier eine Liste aller Songs mit dem jeweiligen Herkunftsalbum:
  1. I‘m Gonna Leave You („Look into the Future“, 1976)
  2. Look into the Future („Look into the Future“, 1976)
  3. Kohoutek („Journey“, 1975)
  4. Daydream („Evolution“, 1979)
  5. La Do Da („Infinity“, 1978)
  6. Line of Fire („Departure“, 1980)
  7. Walk‘s Like a Lady („Departure“, 1980)
  8. Feelin‘ That Way („Infinity“, 1978)
  9. Anytime („Look into the Future“, 1976)
  10. Lights („Infinity“, 1978)
  11. Still They Ride („Escape“, 1981)
  12. Separate Ways („Frontiers“, 1983)
  13. Lovin‘, Touchin‘, Squeezin‘ („Evolution“, 1979)
  14. Wheel in the Sky („Infinity“, 1978)
  15. Patiently („Infinity“, 1978) / Trial by Fire („Trial by Fire“, 1996) / Stay Awhile („Departure“, 1980)
  16. Mystery Mountain („Journey“, 1975)
  17. Of a Lifetime („Journey“, 1975)
  18. Just the Same Way („Evolution“, 1979)
  19. Lovin‘ You Is Easy („Evolution“, 1979)
  20. Lady Luck („Evolution“, 1979)
  21. You‘re on Your Own („Look into the Future“, 1976)
  22. Hustler („Next“, 1977)
  23. Nickel and Dime („Next“, 1977)
  24. People („Next“, 1977)
  25. Mother Father („Escape“, 1981)
  26. Any Way You Want It („Departure“, 1980)
  27. Don‘t Stop Believin‘ („Escape“, 1981)
  28. Black Magic Woman („Abraxas“, 1970)
  29. Oye Como Va („Abraxas“, 1970)
In einem langen Interview mit Narada Michael Walden (Musikproduzent, ehemaliger Schlagzeuger beim Mahavishnu Orchestra, ab 2020 vorübergehend auch bei Journey) erzählt Neal Schon von den harten Anfängen der Band (ab 34:40): „Der Start von Journey war viel Arbeit, Mann. Wir haben uns drei Jahre lang unter schwierigsten Bedingungen den Hintern aufgerissen. Wir reisten in unserem Kombi – fünf, sechs, sieben Leute in einem Wagen. Ein Typ – John Villanueva [Roadie – er hatte die Idee für den Bandnamen] war es wohl – saß hinten im Gepäckraum. Wir fuhren Stunden um Stunden und Aynsley Dunbar steuerte den Wagen (…). Wir fuhren den ganzen Tag, um gerade noch rechtzeitig zu unserem Gig zu kommen. Wir sprangen aus dem Auto, direkt auf die Bühne. Kein Soundcheck. Wir spielten, sprangen zurück ins Auto und brausten zur nächsten Stadt, wo wir am nächsten Tag auftreten mussten. Meist fuhren wir, bis der Morgen dämmerte, und irrten dann auf der Suche nach einem Hotel umher … so ungefähr lief es drei Jahre lang.

Als wir schließlich Lynnyrd Skynnyrd trafen und [Manager] Herbie Herbert uns als Vorgruppe unterbrachte, fanden wir ein Publikum, das uns akzeptierte und den Durchbruch bescherte. Ich dachte: Endlich versteht uns jemand! Bis dahin spielten wir für jeden von Cheech & Chong bis Kiss. Und mit Mahavishnu. Mann, wir haben für euch gespielt! [Narada: „Ja, es war fantastisch, in San Diego.“] Die Leute standen nicht immer hinter uns. Wir waren damals ziemlich anders. Wir waren nicht Song-orientiert, sondern jammten lieber. Aber plötzlich, bei Lynnyrd Skynnyrd, stimmte die Chemie mit dem Publikum. Deren Fans mochten die Gitarre und das Schlagzeug und die Energie der ausgedehnten Jams, weil sie die langen Passagen mit doppelten Gitarren und ihren doppelten Gitarrensoli kannten – das waren schließlich wichtige Bestandteile von deren Energie. Wir begannen also bei ihnen zu spielen und durften noch vor ihrem Auftritt drei richtig starke und begeistert aufgenommene Zugaben abliefern – bei fast jedem Konzert. Ich dachte: Ja, das ist es!“

Montag, 19. Juni 2023

Carlos – Der Film über Carlos Santana (2023)

Ende Mai 2022, wenige Tage vor dem Erscheinen meines Buches „Sechs Jahrzehnte SANTANA“, kam die Nachricht, dass eine Dokumentation über das Leben und die Musik von Carlos Santana produziert wird. Im letzten Kapitel konnte ich die Meldung gerade noch unterbringen.

Foto: Sony Pictures
Inzwischen ist der Film fertig und feierte am 17. Juni 2023 auf dem Tribeca Festival in New York seine Premiere. Die Dokumentation mit dem Titel „Carlos“ hat eine Spielzeit von 87 Minuten. Regisseur ist Rudy Valdez. Sony Pictures Classics hat die Rechte an dem Film erworben. Er soll am 29. September in U.S.-Kinos anlaufen (mehr hier).

Der in Michigan geborene und aufgewachsene Filmemacher und Emmy-Award-Preisträger Rudy Valdez ist dankbar für die Gelegenheit, Carlos Santanas Geschichte zu erzählen. „Carlos ist ein echter Wegbereiter, der vielen Menschen sehr viel bedeutet. Ich hoffe, dass dieser Film ein Leben voller Menschlichkeit würdigt. Für mich war es unglaublich wichtig, jemanden zum Vorbild zu haben, der die Grenzen und Erwartungen der Welt an ihn als mexikanischer Einwanderer und als farbige Person gesprengt hat. Und ich freue mich sehr, dass ich der Welt diese Geschichte präsentieren kann.“

Auf die Frage, wie es ist, einen Film über sein eigenes Leben zu sehen, antwortet Carlos: „Es ist seltsam. Es ist interessant, diese Person zu beobachten, die unaufhörlich danach strebt und daran glaubt, dass sie mit diesen unglaublichen Musikern auf eine Bühne gehört. Wer hätte gedacht, dass ich in einem Moment im Tic Tock (Drive-In) Teller wasche und im nächsten mit Jerry Garcia und Eric Clapton auf der Bühne stehe und dass sie auf mich schauen als hätte ich etwas, von dem sie lernen wollen? Sie alle fragten: ‚Wo hast du das her?‘ Und ich sagte: ‚Ich habe einem ungarischen Zigeunermusiker namens Gábor Szabó gelauscht‘. Und Schlagzeugern. Ich habe viel von afrikanischen Schlagzeugern gelernt. So erfuhr ich, wie man die Eier anders rühren kann. Die Jungs von Creedence Clearwater fragten: ‚Wie nennst du die Musik, die du spielst?‘ Und ich sagte: ‚Afrikanische Rhythmen mit Bluesgitarre‘“.

Samstag, 10. Juni 2023

Bob Dylan – Die Philosophie des modernen Songs (2022)

Bob Dylan ist der erste Musiker, der den Nobelpreis für Literatur erhielt. Und zwar „für seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“. Das war 2016. Doch er kann auch Bücher schreiben. Am 2. November 2022 erschien „Die Philosophie des modernen Songs“. Die deutsche Ausgabe (Verlag C.H. Beck) hat 352 Seiten und kostet 35 Euro. In 66 Kapiteln stellt Bob Dylan 66 Musikstücke vor, wobei das älteste („Keep My Skillet Good and Greasy“ von Uncle Dave Macon) aus dem Jahr 1924 und das neueste („Nelly Was a Lady“ von Alvin Youngblood Hart) aus dem Jahr 2004 stammt. Es ist eine eigenwillige Auswahl des verdienten und prägenden Singer-Songwriters, die man vielleicht genau deshalb einfach respektieren sollte, ohne über den Begriff „modern“ zu diskutieren, die Titelauswahl zu kritisieren oder das Fehlen eigener Lieblingssongs zu beklagen.


Ich widme mich Dylans Buch, weil „Black Magic Woman“ – geschrieben von Peter Green, besprochen aber ausdrücklich in der Version von Santana – einer dieser 66 Songs ist. Bevor ich darauf eingehe, sei erwähnt, dass „Die Philosophie des modernen Songs“ neben den Gedanken des Autors sehr viele historische Fotos und Bilder enthält. Sie zeigen Plattenläden, die Herstellung von Vinylscheiben, Musiker, Menschen, uralte Werbung in Zeitungen und Magazinen, skurrile Szenen und vieles rund ums Musik-Business. Eine vielseitige Mischung. Ein Bilderbuch voller Geschichten … oder umgekehrt. Dabei nähert sich Dylan den Songs auf recht unterschiedliche Weise. Mal steigt er direkt bei dem Titel ein, mal spannt er uns mit Geschichten und Assoziationen – mitunter etwas spröde – auf die Folter, bis er irgendwann zum Thema kommt. Manche Kapitel sind vorbei, bevor sie richtig begonnen haben. Andere bieten reichlich Lesestoff. Immer wieder öffnet Bob Dylan den Blick für Facetten, die man bislang übersehen hat.

Gespannt schlage ich also Kapitel 56 über „Black Magic Woman“ von Santana (S. 281–288) auf. Was schreibt Bob Dylan wohl darüber? Überraschenderweise nicht besonders viel. Stattdessen erzählt er von der US-amerikanischen Schriftstellerin und Drehbuchautorin Leigh Brackett (1915–1978). Sie hat viel Fantasy- und Science-Fiction-Literatur verfasst, darunter das Drehbuch zu „Star Wars: Das Imperium schlägt zurück“ mit George Lucas. Offene Rätsel bringen einen gewissen Zauber in ihre Geschichten.

Damit leitet Dylan allmählich zum Thema Magie über. Magie kann auch darin bestehen, zu tun, was eigentlich allen Regeln und Normen widerspricht, was wenig Sinn ergibt, in der speziellen Kombination aber wunderbar funktioniert. Gerade bei Musik hilft Bildung nicht unbedingt weiter: „Nimm zwei Menschen – der eine studiert kontrapunktische Musiktheorie, der andere weint, wenn er ein trauriges Lied hört. Welcher von beiden versteht die Musik besser?“ (S. 286).

Scheinbar dürftige Texte und simple Sätze können im Zusammenklang mit der richtigen Musik ihren Zauber entfalten. Genau hier verbirgt sich laut Dylan das Geheimnis von Santanas „Black Magic Woman“: „Ist es ein Blues? Musikexperten werden andere Einflüsse anführen, andere Künstler und Zitate aus anderen Songs ins Spiel bringen. Wer in musikalischen Strukturen besonders bewandert ist, wird vielleicht auf Tempowechsel und technischen Firlefanz wie Hammering, transponierte Harmonien und den Übergang zwischen ungarischen und lateinischen Polyrhythmen verweisen. Über das Herz des Songs wird damit aber nichts gesagt.

Oberflächlich betrachtet mag der Text nicht beeindrucken. In zwei der drei sechszeiligen Strophen wird eine der Zeilen gleich viermal wiederholt. In der dritten nur dreimal. Doch im Verbund mit der Musik wirkt er hypnotisch, ekstatisch, gleichermaßen mysteriös und so direkt wie ein Telegramm. Er besitzt die Tiefe eines großartigen Gemäldes, verändert sich je nachdem, wie man sich ihm nähert, und scheint von innen heraus zu leuchten, er fordert zu wiederholter Betrachtung auf.“ Dylans Fazit: „Man kann weiterhin aus der Musik eine Wissenschaft machen wollen, aber in der Wissenschaft wird eins und eins immer zwei ergeben. Musik dagegen erklärt uns, wie alle Kunst, auch die Kunst der Liebe, dass eins plus eins unter optimalen Bedingungen drei ist“ (S. 287).

Mittwoch, 24. Mai 2023

Ultimate Santana (2007) – Zum Gedenken an Tina Turner

Am 16. Oktober 2007 erscheint die Compilation „Ultimate Santana“. Neben sieben alten und sieben jungen Hits enthält das Album vier neue Titel.


„The Game of Love“ ist in zwei Versionen vertreten. Einmal in der bekannten Fassung mit Michelle Branch vom Album „Shaman“ (2002), für die es einen Grammy gab (Best Pop Collaboration with Vocals 2002: Carlos Santana & Michelle Branch). Und dann als Bonus Track mit Tina Turner anstelle von Michelle Branch. Welch ein Unterschied – Tina Turner kann singen! Es ist wie Sandpapier statt Seide – eine großartige Variante.

Tina Turner konnte singen. Sie starb heute, am 24. Mai 2023, im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit in ihrem Haus in der Schweiz.

Wie sehr Carlos die Sängerin schätzt, deutet er drei Wochen später in einem Interview an: „Gegenwärtig höre ich nur drei Sachen: Nina Simone, Etta James und Tina Turner. Ich möchte den Klang dieser Frauen in meine Gitarre kriegen. Meine Gitarre soll wie eine Frau klingen.“

Mittwoch, 17. Mai 2023

Chico Hamilton – El Chico (1966)

In meinem Buch „Sechs Jahrzehnte SANTANA“ behandle ich die Vorgeschichte Santanas und wichtige Einflüsse für die Entwicklung der Musiker ziemlich detailliert. Auf Seite 26 findet sich beispielsweise diese Passage:

Über einen gemeinsamen Freund lernt Carlos ein Album kennen, das ihn erst umhaut und dann maßgeblich prägt. „Es war ‚El Chico‘ von Chico Hamilton – das Album mit den lateinamerikanischen Perkussionisten Willie Bobo und Victor Pantoja und einem Gitarristen namens Gábor Szabó. Mir gefiel das Album auf Anhieb. Chico trug einen Torero-Umhang, und einige Songs, etwa ‚Conquistadores‘ und ‚El Moors‘, hatten spanische Titel. Ich wusste, dass Chico ein Jazz-Drummer war, aber es klang anders als jeder Jazz, den ich je zuvor gehört hatte. Die Musik klang sehr lateinamerikanisch und war obendrein mit Soul und großartigen Grooves vermischt.


Aber es war Gábors Gitarre, die mich begeisterte. Ich hörte sie und spürte, wie die Moleküle in meinem Gehirn sich ausdehnten. Sein Sound hatte eine spirituelle Dimension und öffnete mir das Tor zu anderen Welten. Man merkte, dass er eine Menge indische Musik hörte, denn sein Sound enthielt auch Bordune. Es war Trance-Musik. Er konnte die einfachste Melodie spielen und dennoch in die Tiefe gehen. Gábor war der erste Gitarrist, der mich auf die Idee brachte, über ein Thema hinauszugehen und eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur den Titel eines Songs oder die Licks anderer wiederkäute. Gábor sorgte dafür, dass ich B. B. King, John Lee Hooker und Jimmy Reed untreu wurde. (…) ‚El Chico‘ war eine Straßenkarte, die mir zeigte, wohin ich als Nächstes gehen musste. Ich zog sofort los und holte mir Willie Bobos Album ‚Spanish Grease‘. Im folgenden Jahr kaufte ich Gábor Szabós ‚Spellbinder‘ – darauf war ‚Gypsy Queen‘ – und Bobos ‚Uno-Dos-Tres‘ mit ‚Fried Neckbones and Some Home Fries‘. Beide Songs trugen dazu bei, den Santana-Sound zu erschaffen“ (Carlos Santana: Der Klang der Welt, S. 136 f).


Auch das mitreißende „Conquistadores“ von Chico Hamilton gehört in diese Kategorie. Santana spielt eine großartige Version unter dem Titel „Conquistador Rides Again“ (8:40) auf „Live at the Fillmore 1968“.

Sonntag, 7. Mai 2023

Herbie Mann – The Complete Recordings: Part Three 1959–1962 (4 CDs 2016)

Carlos Santana erzählt in seiner Biografie von der ersten Begegnung mit Gregg Rolie im Jahr 1966 bei einer Jam-Session: „Im Bauernhaus begann ich mit der E-Gitarre. Der Orgelspieler kam zu mir rüber und wir unterhielten uns. Er hieß Gregg Rolie. (…) Ich hatte einen Joint dabei und er trank ein Bier. Wir begannen zu reden und es machte klick, noch ehe wir zu spielen anfingen. Wie sich herausstellte, war auch er ein großer Fan der Hammondorgel und wir hörten beide die gleiche schwarze Musik.

Wir jammten mit ‚Comin‘ Home Baby‘, einem Song, mit dem Herbie Mann einen Hit gelandet hatte, den ich vom Radio kannte. Es war ein Groove, nicht kompliziert, der etwa zur selben Zeit herauskam, als ‚Sidewinder‘ und andere Jazzstücke allmählich das Mainstream-Radio unterwanderten. Heute nennen wir das Crossover. Gregg hörte diese Musik ebenfalls und er konnte sich für einen Groove begeistern“ (S. 157 f).


Also suchte ich das Livealbum „Herbie Mann at the Village Gate“ (1961), weil es den Song „Comin‘ Home Baby“ enthält. Dieses Stück hatte ich bislang nur in einer kurzen Version von Quincy Jones (1970). Tatsächlich entdeckte ich die gesuchte CD. Aber ich stieß auch auf eine Box, die acht LPs des unglaublich produktiven Flötisten Herbie Mann – darunter die gewünschte – auf vier CDs enthält und günstiger war als die einzelne CD. Selbstverständlich fackelte ich nicht lange und bestellte die Box. Hier ihr Inhalt:
  1. Flautista! (1959)
  2. The Common Ground (1960)
  3. Flute, Brass, Vibes and Percussion (1960)
  4. The Family of Mann (1961)
  5. Herbie Mann at the Village Gate (1961)
  6. Brazil, Bossa Nova & Blues (1962)
  7. Right Now (1962)
  8. St. Thomas (1962)
Jeweils zwei LPs befinden sich auf einer CD. Insgesamt ergibt das 298 Minuten – also knapp fünf Stunden – kurzweiliger Musik. Und nicht nur das …


Meine Begeisterung war groß, als ich begann, die Box durchzuhören. Denn einerseits ist das erwähnte „Comin‘ Home Baby“ ein toller Song und mit 8:39 Minuten zudem schön lang. Mindestens genauso erfreuen mich jedoch die Musiker, von denen viele von Santana oder aus dem Latinjazz-Umfeld bekannt sind, nämlich zum Beispiel …

  • Carlos „Patato” Valdez (Congas/Tambora auf 1, 6, 7, 8)
  • José Luis Mangual (Bongos/Tambora auf 1, 8)
  • Johnny Rae (Marimba/Vibraphone/Percussion auf 1, 2, 3, 8)
  • Ray Barretto (Bongos/Percussion auf 2, 3, 4)
  • Michael „Babatunde“ Olatunji (Percussion auf 2)
  • Willie Bobo (Drums auf 6, 7)
  • Johnny Pacheco (Percussion auf 7)
  • Victor Pantoja (Tambora auf 8)

Das sind natürlich nur einige der beteiligten Musiker, aber klangvolle Namen in der Szene. Die Musik groovt entspannt jazzig, afrokubanisch, brasilianisch und trotz ihres Alters in transparentem Stereo-Sound. Alles in allem ist dies eine gelungene Zusammenstellung mit etlichen Standards und ganz viel Percussion.

Dienstag, 2. Mai 2023

Die seltenen Santana-Briefmarken

Kaum jemand kennt sie: die seltenen Santana-Briefmarken. Es handelt sich dabei um reguläre, individuell gestaltete Postwertzeichen der Deutschen Post mit dem Nennwert von € 2,75 für den Versand im Inland und € 7,00 für den Versand ins Ausland.

Original ca. 33 x 55 mm
Original ca. 33 x 55 mm
Die Marken sind für Briefe von 501 bis 1.000 Gramm bestimmt. Denn das Buch „Sechs Jahrzehnte SANTANA“ mit 374 Seiten wiegt rund 540 Gramm. In den Besitz einer Santana-Briefmarke gelangt, wer dieses Buch direkt beim Autor bestellt. Die Sendung wird dann mit einer exklusiven Santana-Briefmarke frankiert.


Natürlich kann man das Buch auch versandkostenfrei im Buchhandel bestellen. Dann aber ohne Briefmarke und auch nicht vom Autor signiert. Weitere Infos gibt es hier.

Montag, 17. April 2023

Michael Shrieve & Steve Roach – The Leaving Time (CD 1988)

„The Leaving Time“ ist eine Kollaboration des ehemaligen Santana-Schlagzeugers Michael Shrieve und des Ambient-Musikers Steve Roach. Wir hören entspannten und zugleich spannenden, sphärisch-dichten und zugleich treibenden Jazzrock mit gelegentlichen Einsprengseln von Gitarre, perkussiv gespieltem Xylophon und anderen Elementen. Vieles wird allerdings von Keyboards, Synthesizern oder elektronischen Drums erzeugt, so dass oft nicht klar feststellbar ist, welche der wahrgenommenen Instrumente wirklich echt sind.


Verträumt und fast ein bisschen hypnotisierend gleitet die Musik durch 45 Minuten. Ich kann sie mir gut als Soundtrack für einen Film mit Naturaufnahmen vorstellen. Am aufregendsten und als Höhepunkt kommt für mich Track 7 „Edge Runner“ daher. Das mag auch so gewollt sein. Danach folgt nämlich nur noch ein „Reprise“ des Titelsongs als kurzer Ausklang. Alles in allem ist dies ein sehr schönes, hörenswertes Album.

Der Titel „The Leaving Time” weckte in mir die Frage, ob Michael Shrieve dabei an seine Trennung von Santana nach „Borboletta“ (1974) dachte. Denn die ergab sich buchstäblich über Nacht, als Michael mit höllischen Schmerzen ins Hospital kam und sich schwor, die Band zu verlassen, wenn er nur überlebt, weil er diesen Schritt schon länger vor sich herschob. Und prompt kündigte er am nächsten Tag. „Ich weiß nicht, was mein Abgang für Carlos bedeutete. Er kam ins Krankenhaus und fragte, warum ich das mache und ich sagte ihm, dass es Zeit für mich war zu gehen. Es gab keinerlei Feindseligkeiten gegenüber Carlos. Alles, was geschah, war okay. Es war einfach die natürliche Ordnung der Dinge. Irgendwann kommt die Zeit – und das war jetzt“ (siehe „Sechs Jahrzehnte SANTANA“, S. 119). The Leaving Time, also.


In dem Zusammenhang überlegte ich auch, ob das Cover womöglich sachdienliche Hinweise verbirgt und forschte mangels Informationen in den Credits nach, was genau es zeigt. Nun … ich kann keine Verbindung erkennen. Das Cover ist ein farblich verfremdeter Ausschnitt des Gemäldes „Die Ekstase der Maria Magdalena“ vom flämischen Maler Louis Finson aus dem frühen 17. Jahrhundert.

Samstag, 15. April 2023

Stomu Yamashta‘s Go – The Go Sessions (2 CDs 2005)

1976 versammelte der japanische Perkussionist, Multiinstrumentalist und Komponist Stomu Yamashta einige renommierte Musiker um sich für ein experimentelles Projekt, welches das asiatische Brettspiel Go zum Thema haben sollte. Heraus kam eine internationale Supergroup mit Yamashta selbst, Steve Winwood (Blind Faith, Traffic), Michael Shrieve (Santana), Al Di Meola (Chick Corea & Return To Forever), Klaus Schulze (Tangerine Dream, Ash Ra Tempel) und weiteren. Wie andere Supergroups auch war sie nur kurzlebig und das Ergebnis eines glücklichen Zusammentreffens im richtigen Augenblick. Sehr bald kehrten die Beteiligten zu ihren eigenen Projekten und Verpflichtungen zurück. Gemeinsam produzierten sie drei Alben: „Go“ (1976), „Live from Paris“ (1976) und „Go Too“ (1977). 2005 veröffentlichte das australische Label Raven Records – und nur dieses – alle drei Alben auf einer Doppel-CD mit dem Titel „The (Complete) Go Sessions“.


Auf „Go“ hören wir einen bunten Mix aus getragenen Keyboard- und Synthesizer-Passagen, rockigen und funkigen Songs. Manchmal dominiert die Stimme von Steve Winwood, dann legt Al Di Meola ein Gitarrensolo hin oder Michael Shrieve und Stomu Yamashta donnern mit Schlagzeug und Percussion dazwischen. Auch Bass, Violine, Congas und Holzbläser inklusive Oboe und Piccoloflöte sowie Blechbläser tauchen gelegentlich auf.


Die Liner Notes zu „Go“ verraten uns, dass auf diesem Konzeptalbum eine Geschichte erzählt wird, die kurioserweise mit dem ersten Song der zweiten Seite (der LP – also mit „Space Requiem“) beginnt und mit dem letzten Song der ersten Seite („Space Theme“) endet. Von der Musik her ist die vorgefundene Reihenfolge jedoch schlüssig.

„Live from Paris“ gerät deutlich rockiger als „Go“ – das Konzert war mit recht viel Show und Action untermalt. Es enthält weitgehend dieselben Stücke, nur stimmt hier deren Reihenfolge ungefähr mit der erzählten Geschichte überein, weil die zweite Seite von „Go“ vor der ersten Seite gespielt wird. Der Titel „Windspin“ ersetzt „Space Theme“ und zitiert mittendrin (CD 1, Track 3, ab 8:00) eine markante Stelle aus dem von Michael Shrieve geschriebenen „Every Step of the Way“ – vergleiche die Versionen auf den Santana-Alben „Caravanserai“ (ab 2:06) oder „Lotus“ (ab 2:58).


Bei „Go Too“ ist Steve Winwood leider nicht mehr dabei, weil er sich auf sein erstes Soloalbum konzentrieren wollte. Die Stimmen von Linda Lewis und Jeff Roden können seine nicht ersetzen. Das Album fällt souliger aus und kann insgesamt mit den ersten beiden nicht ganz mithalten, wie ich finde.

Donnerstag, 6. April 2023

Chicano Power! Latin Rock in the USA 1968–1976 (2 CDs 1998)

Die Band Santana ist wohl der bekannteste Vertreter des Latinrock. Dieser Musikstil entwickelte sich in den späten Sechzigerjahren in San Francisco und anderen Großstädten der USA aus Latinjazz, Boogaloo und Soul. Es war die Musik junger Menschen mit lateinamerikanischer Abstammung – der Chicanos – und ein Ausdruck ihrer stolzen, multikulturellen Identität.


„Chicano Power!“ ist eine Doppel-CD, die eine Reihe von Latinrock-Bands der späten Sechziger und frühen Siebziger vorstellt, darunter Santana, Azteca, Malo und Sapo mit ihrer personellen Verflochtenheit.


Da ist Raul Rekow bei Sapo zu hören, Jorge Santana, Pablo Tellez, Richard Kermode, Luis Gasca, Coke Escovedo und Victor Pantoja bei Malo sowie Victor Pantoja, Coke Escovedo, Wendy Haas, Pete Escovedo und Rico Reyes bei Azteca – sie alle haben früher oder später und kürzer oder länger zu Santana gefunden. Santana besteht aus Carlos Santana, Michael Carabello, David Brown, Marcus Malone, Bob Livingston und Gregg Rolie und ist mit einem kurzen „Soul Sacrifice“ (4:53) auf dem Sampler vertreten. Als Toningenieure und Produzenten begegnen uns David Rubinson, Fred Catero und Glen Kolotkin. Aber das sind alles nur Momentaufnahmen. Raul Rekow spielte bei Malo, bevor er zu Sapo und dann zu Santana wechselte. Viele der Musiker traten etwas später bei den Fania All-Stars auf … und so weiter. Jedenfalls bekommen wir richtig heiße Musik zu hören.




Die damalige Chicano-Szene war bunt und vielfältig und konzentrierte sich auf die drei Metropolen San Francisco, Los Angeles und New York. Doch die meisten Combos blieben bestenfalls lokale Berühmtheiten, über die das 40-seitige Booklet einiges zu berichten weiß. Es erläutert zudem die sozialen Hintergründe und die Subkultur der Chicanos. Insgesamt ist dies eine sehr informative und schön aufgemachte Box im Pappschuber, die mittlerweile schon 25 Winter gesehen hat.

Donnerstag, 30. März 2023

Wie die Band SANTANA zu ihrem Namen kam

Die Anfänge von Santana liegen im Jahr 1966, als die Musiker Carlos Santana (Gitarre), Michael Carabello (Congas), Gregg Rolie (Hammondorgel und Gesang), Tom Fraser (Rhythmusgitarre), Danny Haro (Schlagzeug) und Gus Rodriguez (Bass) sich zusammentun.

Eines Tages im Februar 1967 ruft jemand aus dem Fillmore an, wie Carabello erzählt, und sagt, dass sie die Band gerne an einem Dienstagabend sehen möchten. Dienstags dürfen lokale Musiker vor Publikum spielen. Und er fragt, wie seine Band überhaupt heißt – doch sie hat noch keinen Namen. Michael überlegt schnell: „Hmmm, Carabello Band … ich weiß nicht. Wie wäre es mit Santana Blues Band?“, denn sie sind große Fans der Butterfield Blues Band. Nach Carabellos Schilderung ist der erste Bandname also eine spontane Eingebung am Telefon.

Das „offizielle“ Gründungsdatum der Santana Blues Band liegt somit im Februar 1967.

Der erste offizielle Auftritt der Santana Blues Band unter diesem Namen findet am 1. März 1967 im „The Ark“ in Sausalito statt – einem zum Tanzschuppen umgebauten Fährschiff, das vertäut im Hafen liegt. Für den zweiten Auftritt am 17. März in der Winchester Cathedral in Redwood City wird „Santana Blues“ bereits auf einem Konzertplakat angekündigt. Hier erhält die Band eine Gage in Höhe von 75 Dollar. Im Publikum befindet sich ein junger Schlagzeuger namens Michael Shrieve, der sofort den Wunsch verspürt, irgendwann bei dieser Band einzusteigen.

Am 17. Juni 1967 ist die Santana Blues Band – wie schon am Vortag – als Vorgruppe für The Who gebucht. Doch Danny und Gus sind nicht mit dem erforderlichen Engagement bei der Sache – sie kommen zu ihrem Auftritt im Fillmore zu spät, weil sie ihren Eltern noch helfen müssen. Carlos ist richtig sauer und Bill Graham kocht. Ein Jahr lang dürfen sie nicht im Fillmore auftreten. Dazu Carlos: „Die Santana Blues Band stand auf Bills schwarzer Liste. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte nie einen Gig verpasst! Verspätungen waren kein Teil meiner DNS. Meine Mom und mein Dad hatten mir eingebläut, was Pünktlichkeit bedeutet: eine halbe Stunde zu früh zu kommen, wenn man eine Verabredung hat. So denke ich heute noch, und meine Band weiß das“.

Die Verspätungen haben weitere Konsequenzen. So etwas geht einfach nicht! Obwohl Danny und Gus seine ältesten Freunde sind, muss Carlos sich von ihnen trennen, wenn er als Musiker vorankommen will – eine schmerzhafte Entscheidung. Auch Tom Fraser scheidet aus. Michael Carabello macht vorübergehend Platz für Marcus Malone. Das Schlagzeug übernimmt Bob Livingston und am Bass kommt David Brown hinzu.

Gregg Rolle, David Brown, Carlos Santana, Bob Livingston, Marcus Malone
(Foto aus der Legacy Edition von „Santana“)
Nach genau einem Jahr endet der Bann von Bill Graham. Als sie am 16. Juni 1968 endlich wieder im Fillmore auftreten dürfen, legen sie das „Blues Band“ im Namen ab, nennen sich fortan also einfach Santana.

1969, während der Arbeit am Debütalbum und noch vor Woodstock, verlassen Marcus Malone und Bob Livingston die Band. Michael Carabello kehrt zurück. Michael Shrieve (Schlagzeug) und José „Chepito“ Areas (Timbales und Percussion) sorgen für einen Qualitätssprung.

Die Band trägt zwar Carlos‘ Namen. Musikalischer Chef scheint freilich oftmals Gregg Rolie zu sein, dessen Hammond B3 Orgel gemeinsam mit seinem Gesang viele Songs dominiert. Seine Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Man muss eigentlich nur genau hinhören, um das zu erkennen. Ein Jammer, dass viele denken, Carlos hätte bei den frühen Hits gesungen – und dass sie Greggs Namen nicht einmal kennen. Das findet er selbst nicht wirklich fair. In einem Interview 50 Jahre später (2019) meint er: „Hast du irgendwelche unserer Auftritte gesehen? Warst du jemals bei einem Konzert? Es ist immer dasselbe. Wir haben uns Santana genannt, weil das ein cooler Name ist, der sich gut liest und der ausdrückt, was damals geschah. Ja, Carlos stand vorne in der Mitte. Und so dachte jeder, dass er der Chef sei. Doch das stimmt nicht. Die Band war wirklich eine Band. Deshalb klappte es so gut“.

Was wäre wohl geschehen, wenn die Band sich ursprünglich nach einem anderen Mitglied der Gruppe benannt hätte – beispielsweise The Rolies oder Carabello Band? Ich denke Carlos hat großes Glück, dass Santana seinen Namen trägt, den er einfach mitnehmen kann, als die anderen sich nach und nach aus der Band verabschieden. Das schafft Kontinuität. Und so erbt Carlos gewissermaßen den gemeinschaftlich erarbeiteten Ruhm der ersten Jahre und kann darauf aufbauen. Wäre ein anderer Musiker der Namenspatron gewesen, hätte Carlos nach dessen Abgang für seine verbleibende Formation womöglich einen neuen Namen finden müssen. Das hätte definitiv einen Bruch bedeutet und der direkte Bezug zu Woodstock und den ersten drei Alben bis zur Trennung wäre dabei verloren gegangen.

Offen gestanden bin ich froh, dass uns ein derartiger Wirrwarr erspart geblieben ist und dass die Geschichte so lief, wie wir sie kennen.

Anmerkung: In meinem Buch „Sechs Jahrzehnte SANTANA“ erzähle ich diese Geschichte noch wesentlich ausführlicher.