Samstag, 23. Januar 2021

Bill Ortiz – From Where I Stand (CD 2009)

Bill Ortiz spielt Trompete, Flugelhorn, Piano, Keyboards, diverse Synthesizer, Moog Bass und dies und das. Er erschien auf „Milagro“ (1992) erstmals als Gastmusiker bei Santana, dort allerdings nur mit Trompete. Gemeinsam mit Jeff Cressman (Posaune) sorgte er von „Supernatural“ (1999) bis Corazon” (2014) als Santana-Bandmitglied für die feurigen Bläsersätze, die der Musik oft erst den richtigen Biss gaben. Auch auf „Give The Drummer Some“ (2020) von Cindy Blackman Santana wirkte er bei zwei Titeln mit, wobei „Miles Away“, ein Tribut an Miles Davis, ihn von einer ganz anderen Seite zeigt. Viel leiser und gefühlvoller, durchaus im Stil von Miles Davis. Deshalb interessierte mich diese CD.


„From Where I Stand“ (2009) ist das Debütalbum von Bill Ortiz als Solokünstler. Er spielt natürlich nicht allein. Mit von der Partie sind Karl Perazzo, der bei Santana seit „Milagro“ Timbales und Percussion bearbeitet, Benny Rietveld, Bassist bei Santana seit „Spirits Dancing In The Flesh“ (1990), David Kirk Mathews, an den Keyboards bei Santana seit „Live At Montreux 2011“ (DVD 2012), Linda Tillery, die als Sängerin auf „Santana 3“ (1971), „Giants“ (1978) und „Milagro“ zu hören ist (hier singt sie jedoch nicht, sondern spricht einen Text von Dr. Martin Luther King), sowie weitere Musiker, die mir im Santana-Dunstkreis noch nicht aufgefallen sind.

Auf dem Album befinden sich 13 Songs mit einer Spielzeit von über 67 Minuten. Die Musik bewegt sich zwischen Jazz, Soul und Reggae („Judgement Day“ und „Judgement Dub“
 – sehr cool), gelegentlich mit Lounge-Charakter, immer angenehm und entspannend. Mit Santana hat sie eher nichts zu tun. Schön ist sie trotzdem. Den Abschluss bilden Auszüge der Rede von Dr. Martin Luther King zum Empfang des Nobelpreises in Oslo, mit Deep-House-Anklängen passend musikalisch unterlegt. Insgesamt ist dies eine feine CD, über die ich mich sehr freue.

Sonntag, 3. Januar 2021

Gene Ammons – Brother Jug! (1970)

Auf „Santana 3“ (1971) befindet sich das Stück „Jungle Strut“. Darin brüllen die Gitarren von Carlos Santana und Neal Schon gewaltig um die Wette, verflochten mit der Orgel (Gregg Rolie) und kontrastiert von heller, frischer Percussion (Michael Carabello, José „Chepito“ Areas) und Drums (Michael Shrieve) sowie dem munteren Bass (David Brown).

Den zum Zeitpunkt der Aufnahmen 17-jährigen Neal nahmen sie bereits ein Jahr zuvor (während der Arbeit an „Abraxas“) unter ihre Fittiche. Fast hätte Eric Clapton das jugendliche Talent dabei für Derek And The Dominos abgeworben. Laut Carlos holten sie ihn, um „mehr Feuer in die Band zu bringen, unseren Sound und unsere Energie zu verbessern. Und das Feuer, das Neal mitbrachte, war weiße, weiße Hitze“. „Jungle Strut“ unterstreicht deutlich, was Carlos mit dieser Aussage meint.


Das Original stammt vom Jazz-Saxophonisten Gene Ammons. Der gilt als Mitbegründer des Soul Jazz – einem Genre, bei dem besonders gerne Saxophon und Hammondorgel kombiniert werden. Eugene „Jug“ Ammons nahm sein Album „Brother Jug!“ im November 1969 gleich nach dem Absitzen einer siebenjährigen Haftstrafe wegen Drogenbesitzes auf (es erschien 1970). Sein „Jungle Strut“ mit coolen Drums ist ziemlich relaxt, könnte fast als Smooth Jazz durchgehen, würde es dank Tenorsaxophon, Hammond B3 und WahWah-Gitarre nicht doch etwas zu flott grooven.

Aber „Brother Jug!“ hat noch mehr zu bieten. Es enthält sechs Titel und beginnt mit „Son Of A Preacher Man“, in der Interpretation von Dusty Springfield zwar überaus bekannt, ohne Gesang hier indes kaum wiederzuerkennen. Weitere Songs sind „Didn‘t We“ (1986 von Lee Greenwood gecovert); das ziemlich rockige „He‘s A Real Gone Guy”; „Blue Velvet“ – die Liste der Interpreten reicht von Tony Bennett (1951) über Bobby Vinton (1963) und Lana Del Rey (2012) bis zu Kylie Minogue (2019); das fast neunminütige, mit den Congas des Conga-Pioniers Cándido angereicherte „Ger-Ru“ – und eben „Jungle Strut“.



Carlos entdeckt das Stück auf einer Liste mit seiner Lieblingsmusik, stellt es den Kollegen vor und sie sind ebenfalls der Ansicht, dass es irgendwie zu Santana passe. Von der Band mit eigenem Intro versehen – der Gene-Ammons-Song beginnt erst nach 38 Sekunden – erkennt man es freilich kaum wieder. Was sie aus der Vorlage gemacht haben ist unglaublich. Sie spielen es nicht unbedingt schneller, aber um Längen intensiver, machen einen ungestümen Rausch daraus, der sich wunderbar in das Gesamtkunstwerk „Santana 3“ einfügt.