„Abraxas“, das zweite Album von Santana, erschien 1970. Es enthält mehrere Songs, die große Hits wurden, beispielsweise „Samba Pa Ti“, „Oye Como Va“ und „Black Magic Woman/Gypsy Queen“.
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Santana – mit „Black Magic Woman/Gypsy Queen“ (1970) |
Das von Peter Green (dem frühen Kopf und Mitbegründer von Fleetwood Mac) geschriebene „Black Magic Woman“ wirkt bei Fleetwood Mac recht herb und farblos. Bei Santana hingegen blüht es förmlich auf und ist ohne das geniale Keyboard-Intro von Gregg Rolie sowie das angehängte „Gypsy Queen“ von Gábor Szabó kaum noch vorstellbar. Die fabelhafte Kopplung dieser beiden Coverversionen erfreut uns auf diversen Livealben und natürlich in den meisten Konzerten. Selbst die Jazzsängerin und Pianistin Patricia Barber spielt ihre moderne Interpretation von „Black Magic Woman“ in der Santana-Version mit dem Rolie-Intro und – als ginge es nicht anders – dem angehängten „Gypsy Queen“.
„Peter Green erhält die Tantiemen“, stellt Carlos fest. „Doch es ist jetzt unser ‚Black Magic Woman‘. Für mich kommt ‚Black Magic Woman‘ von ‚All Your Love (I Miss Loving)‘ [singt es vor]. Für mich ist es dasselbe Ding, nur mit einem anderen Text. Mindestens zwei- oder dreimal im Jahr überweise ich einen nennenswerten Betrag an Otis Rush. Ich muss … und ich werde es weiterhin tun, um den Song zu ehren, den ich jeden Abend spiele“.
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Otis Rush – mit „All Your Love (I Miss Loving)“ (1958) |
„Michael Shrieve [Schlagzeug] stieß mich auf diesen Song“, erinnert sich Gregg Rolie. „Er wusste, dass ich ein Fan von Peter Green war, als er bei den Bluesbreakers den Song ‚Supernatural‘ spielte. Er war ein außergewöhnlicher Gitarrist – das ist er noch immer. Michael brachte mir also ein Fleetwood-Mac-Album [vermutlich ‚English Rose‘] mit und fragte, ob es mir gefällt. Ich pickte mir diesen Song heraus und liebte ihn. Bei meiner Keyboard-Eröffnung spielte ich die Noten A, C und D. Und Carlos meinte: ‚Nimm ein H dazu‘.“ Die Folge von 13 Keyboardtönen (C-D-A-C-D-A-H-D-C-D-A-C-D) wird mehrfach wiederholt. Es geht jeweils um den siebten Ton, bei dem ein H das ursprüngliche C ersetzt. „Ich fragte mich erst, was das soll. Doch tatsächlich veränderte dieses simple H alles und machte daraus unser Markenzeichen“.
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© Pearce Marchbank, Ellen Dale: „Santana“ (28 Songs) (1974) |
„Es ist zunächst ein Piano-Intro mit Becken, die Michael Shrieve und ich uns ausdachten“, erklärt Michael Carabello [Congas] weiter. Dann setzt die Percussion ein, die den Beat aufgreift, der direkt vorher schon „Singing Winds, Crying Beasts“ antreibt. „Es ist ein hübscher kleiner brasilianischer Beat, den ich damals als Teenager bei den Congasessions im Aquatic Park gelernt habe. Und Michael Shrieve begleitet ihn mit seinen Becken instinktiv ebenfalls in brasilianischer Weise“.
„Wir haben es nie arrangiert“, so Carlos. „Es ergab sich einfach so. Ich habe nie geahnt, dass es ein so wichtiger Bestandteil unserer Identität werden würde. Das einzige Arrangement bestand darin, zu spielen. Niemand hat es im engeren Sinne für die Band arrangiert. Wir sagten, lasst uns dies ausprobieren, ich spiele das und du versuchst jenes – so ungefähr“.
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Fleetwood Mac – mit „Black Magic Woman“ (1968) |
Gregg Rolie ist es, der „Black Magic Woman“ in die Band bringt, nachdem Michael Shrieve ihn darauf gestoßen hat. „Ich liebte den Song und ich liebe ihn noch immer. Okay, heute fühlt es sich ein bisschen anders an, doch er ist ein Stück von mir. Und wenn ich den Song nach vierzig Jahren noch immer gerne spiele, muss er wirklich etwas ganz Besonderes an sich haben. Es ist seine Einfachheit. Es ist ein rundherum guter Song mit einer Blues-Basis, die absolut mir entspricht und die jeder versteht. ‚Black Magic Woman‘ ist das einzige Stück, das ich in meiner Zeit bei Santana nur einmal gesungen habe. Mit anderen Worten: Ihr hört, was ich beim ersten Mal gesungen habe. Ich habe absolut nichts daran geändert. Ich habe zwei Strophen gesungen, dann ging etwas im Studio kaputt, was sie reparieren mussten. Vielleicht zwanzig Minuten später kam ich zurück, sang die letzte Strophe und das war‘s“.
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Gábor Szabó – mit „Gypsy Queen“ (1966) |
Für „nie arrangiert“ ist das Arrangement herausragend. Besondere Aufmerksamkeit verdient die zwölfsekündige Brücke zu „Gypsy Queen“, die es in sich hat. Großartig ist etwa, wie David Brown mit seinem Bass entspannt den Tempowechsel begleitet. Der Bass-Lick aus acht absteigenden Tönen am Ende von „Black Magic Woman“ stammt aus dem Original von „Gypsy Queen“ auf dem Album „Spellbinder“, wo Szabó ihn zum Ende hin dreimal in ähnlicher Weise seiner Gitarre entlockt.
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Jimi Hendrix – mit „3rd Stone from the Sun“ (1967) |
Noch während der Bridge und genau einen Takt, bevor Carlos das „Gypsy Queen“ anstimmt (ab 3:43), startet ein anhaltender Groove wie bei „3rd Stone from the Sun“ von Jimi Hendrix. Es ist die Passage auf dem Hendrix-Album „Are You Experienced?“ mit dem treibenden Bass von Noel Redding und dem filigranen Schlagzeug von Mitch Mitchell (ab 2:30). Jahre später bestätigt Carlos: „‚Gypsy Queen‘ ist purer Gábor Szabó mit einem bisschen Jimi“. Wobei man darüber diskutieren kann, ob der Grundrhythmus in Santanas „Gypsy Queen“ sich eher an Gábor Szabós Vorlage oder ebenfalls an „3rd Stone from the Sun“ orientiert. Tatsächlich ist es wohl ein Mix von beidem – und beides passt unglaublich gut zusammen. Mir scheint, dass der Groove mit Reddings Basslauf nach der Bridge einfach von David Brown beibehalten und Szabós Melodie hinzugefügt wird. Und die feinziselierten Drum Pattern von Mitchell teilen nun Congas, Timbales und Schlagzeug gekonnt untereinander auf. Carabello, „Chepito“ und Shrieve – jeder erhält seinen eigenen Einsatz. Das Ergebnis ist jedenfalls richtig stark und unterstreicht die Klasse und den Teamgeist dieser Percussionsection. Je mehr ich mir dieser feinen Details bewusstwerde, desto größer wird mein Respekt vor der kreativen Leistung der Santana-Musiker und desto mehr schätze ich dieses Meisterwerk.