"Der Klang der Welt" – im Original "The
Universal Tone" – so heißt die Autobiographie von Carlos Santana. Gemeint
ist das Om, der Urklang, aus dem nach hinduistischem Glauben das Universum
entstand und der alle Wesen durchdringt. Man meint bisweilen, dass Carlos
solche verzaubernden Töne auch seinem Instrument entlocken kann. Und so ist
nicht verwunderlich, dass das Om-Symbol den Kopf seiner Paul-Reed-Smith-Gitarre
ziert. Und dass der Titel seines Buches sich darauf bezieht. Denn Carlos fand 1972 zu
fernöstlicher Spiritualität und Meditation und folgte viele Jahre lang einem
indischen Guru. Jenem geistigen Weg blieb er bis heute treu.
Dieses wunderbare Buch mit 528 Seiten erzählt nicht allein
vom Musiker, sondern vom Menschen Carlos Santana. Selbstredend nehmen seine
Familie und seine spirituelle Entwicklung breiten Raum darin ein. Doch
hauptsächlich geht es natürlich um Musik, um den Gitarristen Carlos, um die
Band Santana, um Erlebnisse, Begegnungen, Freundschaften und Einflüsse, um
Songs, Alben, Konzerte, Plattenfirmen und das Musikgeschäft.
Sehr langsam und weitgehend chronologisch entwickelt sich
die Geschichte. Sie wächst und entfaltet sich fast wie eine Blume. Erstaunlich,
an wie viele Einzelheiten seiner Kindheit Carlos sich erinnern kann und wie er
sie vor uns ausbreitet. Auf Seite 63 kommt der zehn- oder elfjährige Carlos
erstmals mit einem Instrument in Kontakt, mit seiner ungeliebten Violine. Und
dann bewegt sich seine Karriere in unzähligen winzigen Schritten voran.
Menschen kommen und gehen. Manche bleiben und wir können fast hautnah
miterleben, wie er für seine Musik und mit ihr lebt und wie sich allmählich
passende Musiker um ihn scharen, die als Santana Blues Band und dann weltweit als
Santana Furore machen werden.
Erst auf Seite 219 landet Santana in Woodstock. Es ist 1969
und das Debütalbum erscheint demnächst. Auf Seite 297 wendet
Santana sich dem Album "Caravanserai" zu. Es ist 1972. Die
internationale Karriere währt zu dem Zeitpunkt gerade mal drei Jahre und wir
befinden uns bereits in der zweiten Hälfte des Buches.
So gemächlich geht es folglich nicht weiter. Etwa ab Mitte
der Siebzigerjahre zieht das Erzähltempo dann auch deutlich an. Schade
eigentlich, denn die vielen Details gefallen mir wirklich gut – vor allem,
sofern sie die Musik betreffen. Interessant ist beispielsweise, dass es zu
"Samba Pa Ti" auch einen Text gibt (in Auszügen nachzulesen auf Seite
244), den Carlos immer im Sinn hat, wenn er das Lied spielt. Besonders
berührend ist für mich freilich die schmerzhafte Trennung von seiner ersten Frau Deborah
nach 34 Ehejahren und das tiefe Glück, welches aus der Asche entsteht, als er
Cindy begegnet, die seine zweite Frau wird.
Nicht jeder Musiker, der in all den Jahrzehnten bei Santana
gespielt hat, wird im Buch genannt. Das ist nachvollziehbar. Etwas befremdlich
finde ich jedoch, dass Raul Rekow, der Carlos von 1976 bis 2013 mit Abstand am
längsten von allen Musikern in der Band begleitet hat, nur dreimal am Rande erwähnt
wird, außerdem auf einem Foto auftaucht. Dafür widmet Carlos sich
ausgiebig den Charakteren, die ihm nahe standen und stehen wie Bill Graham,
Michael Carabello, Gregg Rolie, Michael Shrieve, Armando Peraza, Wayne Shorter,
Miles Davis, John Lee Hooker, Clive Davis und vielen mehr.
Carlos hat das Buch nicht selbst geschrieben. Dafür waren
seine Weggefährten Hal Miller, der die vielen Erinnerungen aufnahm und ordnete,
sowie Ashley Kahn, der sie gefühlvoll und leichtfüßig zu Papier brachte, zuständig.
Sie haben ihren Job richtig gut gemacht. Heraus kam ein Buch voller Seele und
Musik, welches ich mit großer Freude gelesen habe und jedem Fan sowie jedem
Musikfreund wärmstens empfehlen kann.
Als Fan von Santana war ich natürlich von diesem Buch auch schwer begeistert. Die Biografie beinhaltet eine ausgewogene Mischung zu Themen der Musik und seinem Privatleben. Es wechseln sich amüsante Begebenheiten mit ergreifenden Szenen ab. Auch ich kann es somit jedem Musikfreund wärmstens empfehlen.
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