Dienstag, 11. Oktober 2022

50 Jahre Caravanserai

Am 11. Oktober 1972 – heute genau vor 50 Jahren – erschien das wunderbare Album „Caravanserai“ von Santana. Aus diesem Anlass möchte ich einige Passagen aus meinem Buch „Sechs Jahrzehnte SANTANA zitieren:

Bereits das Zirpen am Anfang von „Eternal Caravan Of Reincarnation“ löst angenehme, entspannende Gefühle aus, denn es vermittelt die Stimmung sommerlicher Wärme (vor allem, wenn hier im Norden trister Winter herrscht). Erst nach 34 Sekunden steigt Hadley Calimans Saxophon ein und unterstreicht diesen ruhevollen Eindruck, gefolgt von Tom Rutleys akustischem Bass. Daraus entwickelt sich ein jazziger Titel, der sanft vor sich hin swingt. Neal Schon zupft verträumte Akkorde. Carlos und James Mingo Lewis sorgen für leise Percussion – Chimes und Glöckchen lassen ein wenig von „Singing Winds, Crying Beasts“ [von „Abraxas“] durchschimmern. Und Michael Shrieve schafft mit seinen wunderbar zurückhaltend und doch abwechslungsreich gespielten Drums und Cymbals eine gewisse Struktur.

Original Album (1972)
Die Anregung für diesen Einstieg stammt vom atmosphärischen Eröffnungssong „Astral Traveling“ von Pharoah Sanders‘ Album „Thembi“. Hier sind ebenfalls Naturgeräusche hineingemischt. Carlos spricht mit dem Toningenieur Glen Kolotkin über seinen Wunsch, das Album mit Naturklängen beginnen zu lassen. Kolotkin: „Da hab‘ ich genau das Richtige – in meinem Garten geht ein Grillenchor ab. Du glaubst gar nicht, was für einen Lärm die veranstalten“. So kommen diese winzigen „Musiker“ zu ihrem ersten Engagement von immerhin fast zwei Minuten. Allerdings beansprucht Michael Shrieve die Idee gleichermaßen für sich. „Ich wollte Zikaden und den Klang nächtlicher Stille am Anfang der Platte haben. (…) Dann ließ ich Hadley Caliman für geraume Zeit spielen, einfach Harmonien und solche Dinge, die ich zu dem bearbeitete, was ihr hört. Allein dieses kleine Saxophon-Intro brauchte mehr als zwanzig Schnitte. Man musste das Band per Hand schneiden – Pro-Tools gab es noch nicht. Als Nächstes bestimmen Tom Rutleys Bass sowie die jazzig schwellenden Becken und sachte Metallklänge den Sound und Wendy Haas kommt rein am Fender Rhodes Piano mit Vibrato …“.

Digitally Remastered Edition (2003)
Clive Davis von Columbia Records hält das Album für Karriere-Selbstmord und versucht, Carlos zu überreden, „mit der Band eine andere Richtung einzuschlagen. Aber wir hatten ‚Caravanserai‘ vollendet, und es war zu spät, das Ruder herumzureißen. ‚Sorry, aber ich muss einfach fragen‘, sagte Clive. ‚Warum willst du das machen?‘ Ich muss hinzufügen, dass er geduldig und kein bisschen aggressiv war, einfach sehr nett. Ich fragte: ‚Warum will ich was machen?‘ Er sagte ‚Also, eins ist doch glasklar: Auf diesem Album ist weit und breit keine Single zu finden. Es ist nichts drauf, was im Radio ein Hit werden könnte. Man könnte meinen, ihr kehrt euch selbst den Rücken zu. Der Jazz ist großartig, aber es gibt bereits einen Miles Davis und einen Weather Report. Warum seid ihr nicht einfach Santana?‘ ‚Es bleibt, wie es ist, Mann‘, sagte ich. ‚Es ist ein Gesamtkunstwerk. Das ganze Ding ist eine Single‘“.

Hybrid-SACD (2011)
Carlos weiß selbst, dass das Album ein Drahtseilakt ist. Indes … „Ich muss die Musik spielen, die aus meinem Herzen kommt. Nachdem ich ‚Caravanserai‘ fertig hatte, nach den ersten drei Alben, haben einige Leute es schlecht gemacht. Jahre später haben viele von ihnen zugegeben, dass es sie lehrte, Musik auf eine andere Weise zu hören. Es war seiner Zeit voraus, aber ich kann nicht auf alle warten. Um dich weiterzuentwickeln, musst du eine Gelegenheit ergreifen und von allem lernen. Die Kritik interessiert mich nicht wirklich“.

Siehe auch: 50 Jahre „Song Of The Wind“ und Die Bedeutung des Albumtitels

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