Vinylplatten sind nach langer Durststrecke wieder auf dem
Vormarsch. Kein Wunder, denn Musik kann mehr sein als nur ein MP3-Download. Vor
den MP3-Dateien gab es CDs. Und vor den CDs gab es LPs aus meist schwarzem
Vinyl, 30 Zentimeter im Durchmesser. Noch immer ist da die Vorfreude, wenn ich
eine LP aus ihrer bunt bedruckten Papphülle ziehe, sie auf den Plattenteller
lege, den Tonarm in Bewegung setze, die rotierende Platte mit einem weichen
Tuch oder einer speziellen Bürste so gut es geht vom Staub befreie, wenn die
Abspielnadel mit einem dumpfen Ton das Vinyl berührt und schließlich mit feinen
Knacken die Rille findet, die sie nicht mehr verlassen soll, bis sie sämtliche Songs
dieser Seite zu Gehör gebracht hat. Während die Musik läuft, setze ich mich mit
der leeren Papphülle auf den Teppich oder in den Sessel, betrachte das Cover
und lese die Informationen auf der Rück- oder Innenseite – und kann sie sogar
mit bloßem Auge erkennen.
© Taschen-Verlag |
Musik ist gut für die Seele. Das Cover begleitet sie
visuell, unterstützt sie idealerweise. Und wenn der Fan das Cover sieht,
erklingt innerlich sein jeweiliges Lieblingsstück oder Erinnerungen steigen
hoch. Genau deshalb ist es immer wieder eine Freude, ein Buch mit Plattencovern
zu durchstöbern. Menschen mögen Bilderbücher sowieso. Und Musikliebhaber mögen
Bücher, die Plattencover zeigen. Was für eine Fundgrube! Dann blättert man und
blättert und entdeckt Alben, die man einst besaß oder noch hat, die man gerne
gehabt hätte oder die ein Freund sein eigen nannte oder die man vielleicht auch
gar nicht kennt. Und im Geiste spielt die Musik oder man kommt auf die prima
Idee, eben dieses Album mal wieder aufzulegen oder es sich nach so vielen
Jahren endlich doch zu kaufen.
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„Jazz Covers“ von Joaquim Paulo und Herausgeber Julius
Wiedemann aus dem Taschen-Verlag richtet sich natürlich speziell an Jazzfreunde. Der mit 672 Seiten
ziemlich dicke Schinken ist etwas kleiner als A5 und kostet gerade mal 14,99 Euro.
Fast alle gezeigten Alben in ihrer graphischen Vielfalt und Farbenpracht
stammen aus dem LP-Zeitalter der Fünfziger bis Siebziger – älter oder neuer ist
nur sehr wenig. Informationen zu den Alben, unsystematisch gestreute
Erläuterungen mal über Musiker, mal über Grafiker, mal über beide sowie längere
Interviews mit Sammlern, DJs und bekannten Händlern – alle in Englisch, Deutsch
und Französisch – ergänzen die vielen Bilder. Das sind schöne Geschichten über
das Sammeln von Schallplatten.
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„Man geht mit Vinylplatten ganz anders um … Emotional ist man
mehr drin, wenn man Texte liest, Bilder betrachtet und die Musik fühlt. In
meinem Buch über [das Plattenlabel] Impulse! steht, für was manche die
Plattenhüllen verwendet haben, um z.B. bei den getrockneten Marihuanablüten die
Samen von den Blättern zu trennen. Sie erkannten das beste Album an der Anzahl
der Samen, die darin zurückblieben. In den 1960ern und 1970ern war die
Beschäftigung mit Musik noch viel mehr ein soziales Ereignis. Das Plattencover
war wie eine Tür zur Welt der Musik“, erzählt
Ashley Kahn, Musikhistoriker, Journalist, Produzent und auch Autor der
Biografie von Carlos Santana (S. 57).
Und Plattenproduzent Michael Cuscuna: „Ich glaube, der echte
Jazzfan sammelt gerne … er interessiert sich für die Hüllen und die
Begleittexte. Selbst ich vermisse, wenn ich die Musik höre, nicht den
Vinylklang, sondern die Hülle, das Cover. Man kann dort die Begleittexte lesen.
CD-Booklets sind für Leute unter 25 gemacht. Ich brauche eine Lupe, um die
verdammten Dinger zu lesen.“ (S. 35).
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