In einem Interview sinnierte Carlos Santana einst darüber, wie viele Kinder wohl zu den Klängen seines gefühlvollen
Instrumentalsongs "Samba Pa Ti" gezeugt worden seien. Mit den
magischen Gitarrensaiten von Frankie Presto hätte er womöglich den einen oder
anderen Anhaltspunkt gehabt. Denn diese schimmerten blau, wenn sie das Leben
eines Menschen veränderten, allerdings jede nur einmal. Beispielsweise 1946,
als Django Reinhardt wegen des zehnjährigen Frankie – der zu dem frühen
Zeitpunkt bereits ein herausragender Gitarrist war – beschloss, seine
US-Tournee mit Duke Ellington doch nicht abzusagen und Frankie als Dolmetscher
mit über den Großen Teich zu nehmen. Dort spielte Frankie einige Jahre später
unter anderem mit Elvis Presley, sprang sogar unbemerkt während eines
Konzerts für ihn ein. Frankie stieg dann selbst zum Star auf und landete einige Hits.
Frankie war fast genau elf Jahre älter als Carlos. Ihre Wege
kreuzten sich 1969 auf dem Woodstock-Festival. Santana stand auf der Bühne und
spielte "You've got to change your evil ways… baby… " (S. 122).
Frankie hätte dies beherzigen sollen. Doch er war völlig zugekifft. Dabei hätte
er seiner schwangeren Frau Frühstück machen sollen. Stattdessen schleppte er
sich mitten in der Nacht vor dem Auftritt von The Who auf die noch dunkle Bühne
und spielte in seiner puren Verzweiflung dieses legendäre Gitarrensolo mit
einer Dauer von 2 Minuten und 17 Sekunden, bei dem man lange rätselte, ob es
wohl von Jimi Hendrix, Jerry Garcia, Pete Townsend oder Carlos Santana sei (S.
240 f).
Nun ist Frankie Presto im Alter von über 70 Jahren von uns gegangen. Vor dem Trauergottesdienst wird über sein Leben berichtet. Erzähler
ist… die Musik. Wer sonst? Die Musik ist allgegenwärtig. Nur sie weiß alles
über Frankie, denn sie war von Anfang an bei ihm. Auch prominente Trauergäste
kommen zu Wort und erinnern sich voller Respekt an Erlebnisse mit dem
Verstorbenen. John Pizzarelli, Wynton Marsalis, Tony Bennett, Paul Stanley von
KISS, Lyle Lovett, Roger McGuinn von den Byrds, Burt Bacharach und weitere.
Frankie Presto hat zahlreiche Musiker beeinflusst.
Eine bewegende Biografie mit einem Hauch von Magie, die Mitch Albom über den fiktiven
Frankie Presto geschrieben und geschickt mit der realen Musikwelt verflochten hat. Doch so fiktiv ist er gar nicht, denn in vielen
Musikern, in vielen Menschen steckt ein Stück Frankie, der schwere Phasen
durchlitten hat, den aber zugleich eine wunderbare Liebe wie eine Sinfonie mit
ihren Tiefen und Höhen immer wieder auffing und durchs Leben trug.
Zunächst störten diese ständigen Zeitsprünge meinen Lesefluss. Aber bald merkte ich, dass sie gut komponiert sind und bisweilen Linderung verschaffen.
Denn was dort geschieht – im spanischen Bürgerkrieg etwa – verursacht durch
fanatisierte oder gierige Menschen – ist teilweise kaum zu ertragen. Frankie
hat einiges davon gar nicht mitbekommen. Und die Zeitsprünge bringen den Leser ganz
schnell an einen anderen Ort und auf andere Gedanken – zum Glück…
"Die magischen Saiten des Frankie Presto“ von Mitch
Albom, erschienen im August 2016 beim Lago Verlag, steckt voller Musik. Es ist
ein bewegender Roman, den ich Musikern und Musikliebhabern gleichermaßen ans
Herz legen kann. Und wer weiß, wo die nächste Gitarrensaite blau aufleuchten wird…
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