Freitag, 25. März 2016

Going Home

Zum heutigen Karfreitag…

Im Jahr 1973 erschien das Santana-Album "Welcome". Zart setzt der erste Song "Going Home" ein. In meinem Buch "Carlos Santana und Band" habe ich dazu geschrieben: "Er klingt sehr orchestral, fast klassisch." Den Credits nach ist der Song von Alice Coltrane, Carlos Santana und der restlichen Santana-Band arrangiert – aber halt nur arrangiert. Auf dem im selben Jahr aufgenommenen Live-Album "Lotus" dient er ebenfalls als Intro, wie überhaupt bei jedem Konzert während der 1973er Tour.


"Going Home" befindet sich zudem in einer mehr als doppelt so langen Fassung auf dem Album "Lord Of Lords" von Alice Coltrane aus dem Jahr 1972. Als ich mit meiner Frau zusammen kürzlich diesem meiner Sammlung neu hinzugefügten Album lauschte, meinte sie, dass der Song sie irgendwie an die Winnetou-Filme erinnere. Hmmm, dachte ich, irgendwie hat sie Recht. Also zog ich Martin Böttchers "Winnetou Melodien" aus dem Regal und versuchte, heraus zu finden, welcher Song dem "Going Home" ähnelt. Es ist die "Old Shatterhand Melodie".

Nun konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Carlos Santana und Alice Coltrane sich gemeinsam "Der Schatz im Silbersee" angesehen haben. Also dachte ich noch ein Weilchen nach – und dann kam mir eine Idee und ich legte Anton Dvoraks Sinfonie Nr. 9 "Aus der Neuen Welt" auf. Im zweiten Satz "Largo" ist eine leise und berührende Passage zu hören, die von Alice Coltrane praktisch genauso gespielt wurde. Bei Santanas "Welcome" ist die Ähnlichkeit weniger offensichtlich, genügt aber, um den Song irgendwie als klassisch zu empfinden (sofern man die Sinfonie von Dvorak kennt).

Bevor man Santana und Alice Coltrane nun voreilig des Plagiats verdächtigt, sollte man sich aber ruhig die Mühe machen, die extrem klein gedruckten Liner Notes des Alice-Coltrane-Albums zu lesen. Sie sind nämlich vom LP- auf CD-Format geschrumpft und für mich nur mit Lupe zu entziffern. Dort wird ausdrücklich auf Dvoraks Sinfonie hingewiesen und es wird außerdem berichtet, dass jener die Anregung von einem gospel-orientierten Spiritual hatte, welches in den USA weit verbreitet war und ist. Auch der Text im Booklet der "Welcome"-CD (allerdings erst ab der Version mit dem Bonus-Track "Mantra" aus dem Jahr 2003) deutet dies an. Ich hätte ihn nur lesen müssen.

Fazit: Sie alle – Anton Dvorak, Martin Böttcher, Alice Coltrane und Carlos Santana – haben ein traditionelles Spiritual unbekannter Herkunft als Quelle ihrer Inspiration verwendet. Irgendwie ist alles Gute göttlichen Ursprungs…

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