Freitag, 28. November 2025

Santana – Festivál (1977)

„Festivál“ setzt die bereits mit „Amigos“ (1976) begonnene Abkehr Santanas vom Jazzrock fort. Die Erde hat sie wieder. Einerseits ist das ein wenig schade, denn in jener Phase sind wirklich wunderbare Werke entstanden. Andererseits macht diese fröhliche Tanzmusik Spaß, so dass die Entwicklung auch ihre guten Seiten hat.

Neu bei Santana sind Raul Rekow an den Congas, Pablo Tellez am Bass und Gaylord Birch am Schlagzeug. Im Gegensatz zu Tellez und Birch soll Rekow bei Santana zu einem der ausdauerndsten Bandmitglieder werden. Er hat sich gut auf den Job vorbereitet. Im Alter von 15 Jahren covert er mit einer Band namens Soul Sacrifice Santana-Songs. Dann spielt er bei Malo, der Band von Carlos‘ Bruder Jorge Santana, und von 1972 bis 1976 bei Sapo, einer anderen Band der Chicano-Szene. Erst zu der Zeit beginnt er, „das Conga-Spiel ernsthaft zu studieren. (…) Ich mußte also zurück zu den Roots der Conga, und ich beschäftigte mich mit dem Afro-Stil; aber eigentlich interessierte mich der afro-kubanische Stil mehr, weil ich ihn einfach viel aufregender finde“.

Raul Rekow (10. Juni 1954 bis 1. November 2015) beginnt zunächst mit Trompete und Waldhorn, möchte aber lieber zum Schlagzeug wechseln. Doch es kommt etwas dazwischen. „1967 sah ich die Santana Blues Band im Cow Palace (San Francisco) spielen. Diese Show und der Santana-Sound inspirierten mich, die Congas auszuprobieren. Ich hatte jedoch nicht genügend Geld. Also sparte ich so lange, bis ich mir meine erste Conga für 35 Dollar bei einem Pfandleiher kaufen konnte. Ich ging nach Hause und nahm die Conga auseinander um zu sehen, wie sie funktioniert. Dann brachte ich mir das Spielen bei.

Nach dem Hören von Santana gab es in der Bay Area eine Percussion-Explosion. Jeder zog los, um eine Conga zu kaufen, und jeder schien bei Santana spielen zu wollen. Ich bin sehr froh, denn da draußen gibt es viele großartige Musiker, und ich hatte Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.

Eines Tages rief mich jemand von Bill Graham Presents an. Er erzählte, dass Armando [Peraza] krank sei und Carlos Ersatz für die Aufnahmen eines neuen Albums suche. Ich war allein zu Hause, und nach dem Telefonat war ich so begeistert, mit Santana spielen zu können, dass ich brüllend und schreiend im Haus umherlief. Ich war so glücklich. Ein Traum war in Erfüllung gegangen“.


Den heißen Auftakt bilden mit „Carnaval“, „Let the Children Play“ und „Jugando“ drei schäumende, nahtlos ineinander übergehende Songs, die eine Suite bilden und einfach zusammengehören. „Carnaval“ scheint frisch und ungekühlt vom brasilianischen Karneval zu stammen. Man sieht förmlich die fröhlichen Sambatänzerinnen in den Straßen von Rio vor sich.

„Give Me Love“, eine soulige Ballade, schaltet zwei Gänge zurück, was nach dem rasanten Auftakt eine willkommene Verschnaufpause bietet. Bläsersounds (von Tom Coster erzeugt), feines Keyboardsingen und eine dezente Gitarre erzeugen dennoch ein kraftvolles Stück.

„Verao Vermelho“ erinnert dank der akustischen Gitarre und ganz viel Percussion an „Gitano“ von „Amigos“. Außerdem erzeugt der Gesang mehr als einen Hauch von brasilianischer Stimmung in diesem flotten Lied, während die Gitarre unsere Träume nach Andalusien entführt.

„Let the Music Set You Free“ wird von einer heißen Hammondorgel begleitet. Eine Rocknummer, sehr extrovertiert, laut und partymäßig, mit tosender Gitarre.

„Revelations“ beginnt ähnlich wie „Treat“ vom Debütalbum ruhig mit Klavier und steigert sich erheblich, was das rasselnde Schlagzeug lange ankündigt. Voller Intensität überflügeln sich Gitarre und Keyboard in der zweiten Hälfte gegenseitig.

„Reach Up“, mit schnarrender Gitarre und funkigem Bass, ist ein wenig belanglos, in meinen Ohren das schwächste Stück des Albums.

„The River“ mit dem Gesang von Leon Patillo und einem etwas pathetischen Break mittendrin, trägt den Hörer langsam und melodisch mit sich fort. Es ist eigentlich eher als Gospelsong gedacht. Mit dem in den Lyrics häufig gebrauchten „You“ („You are my river …You are the freedom …“) ist Jesus gemeint.

„Try a Little Harder“ mit virtuos gespielten Trillerpfeifen knüpft an die Partystimmung der ersten drei Titel an. Vor allem Gitarre und Schlagzeug erhalten die Gelegenheit zu lautstarken Soli.

„Maria Caracóles“ mit dem Sänger Pablo Tellez schließlich wird von einem Feuer aus Percussion und Bläsersätzen (erneut keinen echten) angeheizt. Der Mozambique, den die besungene Maria so anmutig tanzt, ist ein besonderer Rhythmus, erfunden von Pello El Afrokán, dem kubanischen Komponisten des Stücks. Auch die Afro-Cuban All Stars haben den Song gecovert, sich dabei allerdings weiter vom Original entfernt als Santana.

Alles in allem ist „Festivál“ farbenfroh und abwechslungsreich. Das Album mit einigen sehr starken Titeln wirkt frisch und unbeschwert, wie ein Festival mit kleinen Erholungspausen – oder tatsächlich wie „Carnaval“. Es ist durch das ebenfalls 1977 erschienene und sehr erfolgreiche Live- und Studioalbum „Moonflower“ ein wenig überrollt worden und hat daher wohl nicht ganz die verdiente Aufmerksamkeit erhalten. Ein Grund mehr, es mal wieder zu hören.