Montag, 4. Dezember 2017

Santana – Oye Como Va Live 75–90 (19-CD-Box 2017)

Ende März 2017 erschien „Oye Como Va Live 75–90“. Diese Box mit 19 CDs zu einem relativ günstigen Preis enthält zehn ältere Konzertmitschnitte diverser Radiosender, die sich jeweils über eine bis drei CDs erstrecken. Ihre Tonqualität ist mäßig bis gut. CD-Text ist mal vorhanden, mal nicht. Es braucht naturgemäß einige Tage oder gar Wochen, sich durch diese umfangreiche Zusammenstellung zu hören.


CDs
(mit Spielzeit)
CD 1: Rynearson Stadium, Ypsilanti, Mi, May 25th 1975, King Biscuit Flower Hour – 49:34
CD 2: Cow Palace, Daly City, Ca, December 31st 1976, KSAN-FM – 77:04
CD 3: Best Of The Palladium Weekend Live, NY, February 9th 1978 (Early Set), King Biscuit Flower Hour – 66:23
CD 4: Best Of The Palladium Weekend Live, NY, February 9th 1978 (Early Set Continued), King Biscuit Flower Hour – February 9th 1978 (Late Set) – February 10th 1978 (Early Set) – February 10th 1978 (Late Set) – 63:33
CD 5: The Bottom Line, NY, October 16th 1978, WNEW-FM & WMMR-FM – 56:55
CD 6: The Bottom Line, NY, October 16th 1978 (Continued), WNEW-FM & WMMR-FM – 44:06
CD 7: Pinecrest Theatre, Shelton, Ct, August 3rd 1980, WHCN-FM – 62:51 (Aufdruck: Disc 8)
CD 8: Pinecrest Theatre, Shelton, Ct, August 3rd 1980 (Continued), WHCN-FM – 71:45 (Aufdruck: Disc 7)
CD 9: Old Waldorf Theater, San Francisco, February 5th 1981, KSAN-FM – 36:01
CD 10: Old Waldorf Theater, San Francisco, February 5th 1981 (Continued), KSAN-FM – 48:15
CD 11: Cape Cod Coliseum, Hyannis, Ma, July 4th 1981, WBCN-FM – 66:53
CD 12: Cape Cod Coliseum, Hyannis, Ma, July 4th 1981 (Continued), WBCN-FM – 40:51
CD 13: NHK Hall, Tokyo, Japan, July 10th 1983, NHK-TV Broadcast – 59:49
CD 14: NHK Hall, Tokyo, Japan, July 10th 1983 (Continued), NHK-TV Broadcast – 39:39
CD 15: NHK Hall, Tokyo, Japan, July 10th 1983 (Continued), NHK-TV Broadcast – 53:07
CD 16: Sunrise Music Theater, Fort Lauderdale, Fl, November 26th 1988 (Late Show), King Biscuit Flower Hour – 64:21
CD 17: Sunrise Music Theater, Fort Lauderdale, Fl, November 26th 1988 (Late Show Continued), King Biscuit Flower Hour – 65:36
CD 18: The World Theater, Tinley Park, Il, August 26th 1990, WXRT-FM – 69:32
CD 19: The World Theater, Tinley Park, Il, August 26th 1990 (Continued), WXRT-FM – 65:42

Musiker
Da es keine weiteren Infos gibt, musste ich die Besetzungen nach Konzert-Ansagen und anderen Quellen rekonstruieren – alle Angaben also ohne Gewähr:
CD 1: Carlos Santana (g/perc/vo), David Brown (b), Leon Patillo (kbd/vo), Tom Coster (kbd/vo), „Ndugu" Leon Chancler (ds), Armando Peraza (perc/vo)
CD 2: Carlos Santana (g/perc/vo), Pablo Tellez (b/vo), Tom Coster (kbd/vo), Luther Rabb (vo), Joel Badie (vo), Graham Lear (ds), Raul Rekow (perc/vo), Jose „Chepito" Areas (perc)
CD 3/4: Carlos Santana (g/perc/vo), David Margen (b), Tom Coster (kbd/vo), Greg Walker (vo), Graham Lear (ds), Raul Rekow (perc/vo), Armando Peraza (perc/vo) , Pete Escovedo (perc)
CD 5/6: Carlos Santana (g/perc/vo), Chris Solberg (g/kbd), David Margen (b), Chris Rhyne (kbd), Greg Walker (vo), Graham Lear (ds), Raul Rekow (perc/vo), Armando Peraza (perc/vo)
CD 7/8: Carlos Santana (g/perc/vo), Alex Ligertwood (g/vo), Al di Meola (g), David Margen (b), Richard Baker (kbd), Graham Lear (ds), Raul Rekow (perc/vo), Armando Peraza (perc/vo), Orestes Vilato (perc/vo)
CD 9/10: Carlos Santana (g/perc/vo), Alex Ligertwood (g/vo), David Margen (b), Richard Baker (kbd), Herbie Hancock (kbd), Graham Lear (ds), Raul Rekow (perc/vo), Armando Peraza (perc/vo), Orestes Vilato (perc/vo), Michael Carabello (perc), Horn Section
CD 11/12: Carlos Santana (g/perc/vo), Alex Ligertwood (g/vo), David Margen (b), Richard Baker (kbd), Graham Lear (ds), Raul Rekow (perc/vo), Armando Peraza (perc/vo), Orestes Vilato (perc/vo)
CD 13/14/15: Carlos Santana (g/perc/vo), Keith Jones (b), Tom Coster (kbd/vo), Chester Thompson (kbd/vo), Greg Walker (vo), Graham Lear (ds), Raul Rekow (perc/vo), Armando Peraza (perc/vo), Orestes Vilato (perc/vo)
CD 16/17: Carlos Santana (g/perc/vo), Alphonso Johnson (b), Gregg Rolie (kbd/vo), Chester Thompson (kbd/vo), Michael Shrieve (ds), Armando Peraza (perc/vo), Jose „Chepito“ Areas (perc), Carlos „Patato“ Valdés (perc)
CD 18/19: Carlos Santana (g/perc/vo), Alex Ligertwood (g/vo), Benny Rietveld (b), Chester Thompson (kbd/vo), Walfredo De Los Reyes (ds), Armando Peraza (perc/vo)

Die CDs 7 und 8 sind (zumindest bei meiner Ausgabe) verkehrt bedruckt und sollten in ihren Hüllen getauscht werden, damit die Musik zur Liste auf der jeweiligen Hülle passt und die Reihenfolge stimmt.

Unter den vielen Aufnahmen finden sich immer wieder einzelne Songs in besonders gelungenen Versionen, etwa „American Gypsy“ (CD 12) oder „Toussaint L’Overture“ (CD 19). Erwähnenswert sind zudem die Gastmusiker Al di Meola (1980 – CDs 7/8) sowie Herbie Hancock und Michael Carabello (1981 – CDs 9/10).

Die Aufnahme von 1988 in Fort Lauderdale entstand während der Reunion-Tour. Von der Original-Band sind Carlos Santana, Gregg Rolie, Michael Shrieve und José „Chepito“ Areas dabei. Ungewöhnlicher Begleiter ist der wie Armando Peraza aus Havanna, Kuba stammende Congavirtuose Carlos „Patato“ Valdés (Armando und Patato brachten sich in ihrer Frühzeit gegenseitig das Congaspielen bei). Patato spielte bereits in den 50er-Jahren mit Machito, Tito Puente und vielen anderen Größen des Latin Jazz. Mit soviel herausragender Percussion, die bei der hier vergleichsweise guten Tonqualität erfreulicherweise auch zur Geltung kommt, gehören die CDs 16 und 17 für mich zu den besten dieser Box. Welch einen wunderbaren Kontrast bildet dieser Mitschnitt zu den uninspirierten Studioalben jener Jahre…

Donnerstag, 31. August 2017

Joaquim Paulo – Jazz Covers (2015)

Vinylplatten sind nach langer Durststrecke wieder auf dem Vormarsch. Kein Wunder, denn Musik kann mehr sein als nur ein MP3-Download. Vor den MP3-Dateien gab es CDs. Und vor den CDs gab es LPs aus meist schwarzem Vinyl, 30 Zentimeter im Durchmesser. Noch immer ist da die Vorfreude, wenn ich eine LP aus ihrer bunt bedruckten Papphülle ziehe, sie auf den Plattenteller lege, den Tonarm in Bewegung setze, die rotierende Platte mit einem weichen Tuch oder einer speziellen Bürste so gut es geht vom Staub befreie, wenn die Abspielnadel mit einem dumpfen Ton das Vinyl berührt und schließlich mit feinen Knacken die Rille findet, die sie nicht mehr verlassen soll, bis sie sämtliche Songs dieser Seite zu Gehör gebracht hat. Während die Musik läuft, setze ich mich mit der leeren Papphülle auf den Teppich oder in den Sessel, betrachte das Cover und lese die Informationen auf der Rück- oder Innenseite – und kann sie sogar mit bloßem Auge erkennen.

© Taschen-Verlag
Musik ist gut für die Seele. Das Cover begleitet sie visuell, unterstützt sie idealerweise. Und wenn der Fan das Cover sieht, erklingt innerlich sein jeweiliges Lieblingsstück oder Erinnerungen steigen hoch. Genau deshalb ist es immer wieder eine Freude, ein Buch mit Plattencovern zu durchstöbern. Menschen mögen Bilderbücher sowieso. Und Musikliebhaber mögen Bücher, die Plattencover zeigen. Was für eine Fundgrube! Dann blättert man und blättert und entdeckt Alben, die man einst besaß oder noch hat, die man gerne gehabt hätte oder die ein Freund sein eigen nannte oder die man vielleicht auch gar nicht kennt. Und im Geiste spielt die Musik oder man kommt auf die prima Idee, eben dieses Album mal wieder aufzulegen oder es sich nach so vielen Jahren endlich doch zu kaufen.

© Taschen-Verlag
„Jazz Covers“ von Joaquim Paulo und Herausgeber Julius Wiedemann aus dem Taschen-Verlag richtet sich natürlich speziell an Jazzfreunde. Der mit 672 Seiten ziemlich dicke Schinken ist etwas kleiner als A5 und kostet gerade mal 14,99 Euro. Fast alle gezeigten Alben in ihrer graphischen Vielfalt und Farbenpracht stammen aus dem LP-Zeitalter der Fünfziger bis Siebziger – älter oder neuer ist nur sehr wenig. Informationen zu den Alben, unsystematisch gestreute Erläuterungen mal über Musiker, mal über Grafiker, mal über beide sowie längere Interviews mit Sammlern, DJs und bekannten Händlern – alle in Englisch, Deutsch und Französisch – ergänzen die vielen Bilder. Das sind schöne Geschichten über das Sammeln von Schallplatten.

© Taschen-Verlag
„Man geht mit Vinylplatten ganz anders um … Emotional ist man mehr drin, wenn man Texte liest, Bilder betrachtet und die Musik fühlt. In meinem Buch über [das Plattenlabel] Impulse! steht, für was manche die Plattenhüllen verwendet haben, um z.B. bei den getrockneten Marihuanablüten die Samen von den Blättern zu trennen. Sie erkannten das beste Album an der Anzahl der Samen, die darin zurückblieben. In den 1960ern und 1970ern war die Beschäftigung mit Musik noch viel mehr ein soziales Ereignis. Das Plattencover war wie eine Tür zur Welt der Musik“, erzählt  Ashley Kahn, Musikhistoriker, Journalist, Produzent und auch Autor der Biografie von Carlos Santana (S. 57).

Und Plattenproduzent Michael Cuscuna: „Ich glaube, der echte Jazzfan sammelt gerne … er interessiert sich für die Hüllen und die Begleittexte. Selbst ich vermisse, wenn ich die Musik höre, nicht den Vinylklang, sondern die Hülle, das Cover. Man kann dort die Begleittexte lesen. CD-Booklets sind für Leute unter 25 gemacht. Ich brauche eine Lupe, um die verdammten Dinger zu lesen.“ (S. 35).

Sonntag, 6. August 2017

Santana-Special – zum 70. Geburtstag von Carlos Santana

Am 20. Juli 2017 wurde Carlos Santana siebzig Jahre alt.

Es ergab sich, dass Wolfgang Bütow mich für den 21. Juli zu seiner Sendung „Welcome Radio“ auf Radio ZuSa (21 bis 23 Uhr) eingeladen hatte. Aus aktuellem Anlass machten wir ein Santana-Special, in dem wir einen Querschnitt durch 48 Jahre Musikgeschichte präsentierten und ausgiebig darüber sprachen. Und da The Magic of Santana mit den ehemaligen Santana-Sängern Alex Ligertwood (der aber kurzfristig ausfiel) und Tony Lindsay am 22. Juli ein Konzert in Rotenburg (Wümme) geben sollte, spielten wir auch einige großartige Interpretationen von deren Album „Live In Spain 2016“. Ich denke, dass wir unseren Hörern eine bunte und unterhaltsame Sendung bieten konnten.




Hagen Rudolph und Wolfgang Bütow (Fotos: Dagmar Petermann)
Hier das von mir zusammengestellte und tatsächlich gespielte Musikprogramm (für weitere geplante Titel hatten wir leider nicht genügend Sendezeit):

Soul Sacrifice – Santana (1969)
Samba Pa Ti – Santana (1970)
Black Magic Woman – The Magic of Santana feat. Alex Ligertwood & Tony Lindsay (2017)
Gypsy Queen – The Magic of Santana feat. Alex Ligertwood & Tony Lindsay (2017)
Guajira – Santana (1971)
Song Of The Wind – Santana (1972)
Love, Devotion & Surrender – Santana (1973)
Gitano – Santana (1976)
Revelations – Santana (1977)
Flor D'Luna (Moonflower) – Santana (1977)
Tales Of Kilimanjaro – Santana (1981)
Nueva York – Santana (1982)
Havana Moon – Carlos Santana (1983)
Make Somebody Happy – Santana (1992)
Corazón Espinado – Santana feat. Maná (1999)
Blues Magic – Santana (2016)
Guajirona – Abraxas Pool (1997)
She's Not There – The Magic of Santana feat. Alex Ligertwood & Tony Lindsay (2017)

Sonntag, 2. Juli 2017

Carlos Santana wird 70

Am 20. Juli 2017 wird Carlos Santana 70 Jahre alt. Aus diesem Anlass wird Radio ZuSa am 21. Juli in der Sendung "Welcome Radio" von 21 bis 23 Uhr eine Sendung über Santana anbieten. Moderator Wolfgang Bütow hat den Autor von zwei Santana-Büchern Hagen Rudolph zu Gast, um Musik von Santana zu spielen und die Geschichte dieser Band Revue passieren zu lassen.


Wer nicht im Raum Lüneburg–Uelzen–Wendland lebt, kann die Sendung im Livestream hören. Viel Spaß dabei…

Montag, 1. Mai 2017

Francesco Spampinato – Art Record Covers (2017)

Seit den Siebzigerjahren, als ich die Musik für mich entdeckte, liebe ich LPs nicht nur wegen der Klänge, die eine feine Nadel dem meist schwarzen Vinyl entlockt, sondern zugleich wegen der vielfältig gestalteten Cover. Und bisweilen setzt sich die Kreativität im Inneren fort. Klappcover und die Schutzhüllen (Sleeves) der LPs bieten viel Platz dafür. Mitunter erfreuen den Sammler weitere Extras wie der echte Reißverschluss zum Auf- und Zuziehen auf dem Cover des Rolling-Stones-Albums „Sticky Fingers“ (1971), der Umschlag mit Fotos und einem Konzertplakat bei „The Who Live At Leeds“ (1970) oder das ausklappbare Schutzschild bei „Warrior On The Edge Of Time“ von Hawkwind (1975). Bemerkenswert ist auch das Dreifachalbum „Lotus“ von Santana (1974), welches den Fans als opulentes Gesamtkunstwerk mit zwei vierteiligen Postern reichlich zu blättern, zu gucken und zu staunen gibt. Es wurde entworfen von Tadanori Yokoo, der am Design von vier Santana-Alben beteiligt war.

Schallplattencover sind ein faszinierender Zweig der Gebrauchskunst. Sie müssen zur Musik und zur Identität der Musiker passen und obendrein vielleicht deren Logo oder andere Erkennungsmerkmale tragen wie die leckende Zunge („Tongue and Lips“) der Rolling Stones, den geschwungenen Schriftzug von Chicago, den Skarabäus von Journey oder die vier senkrechten Balken von Electric Flag.

© Taschen-Verlag
Kein Wunder also, dass ein Buch mit dem Titel „Art Record Covers“ von Francesco Spampinato und Julius Wiedemann aus dem Taschen-Verlag sofort mein Interesse weckt. Sein Name lässt erwarten, dass es Cover präsentiert, bei denen die Betonung eher auf Kunst als auf Gebrauch liegt. Sein Steckbrief: Hardcover mit stabilem Schutzumschlag – 30 x 30 cm groß – 4,5 cm dick – 449 Seiten stark – über 3,8 kg schwer – viel hochwertig anmutendes Material also für 49,99 Euro.

© Taschen-Verlag
Ich schau hinein und stelle fest: Kunst muss nicht schön sein. Mehr noch… Kunst darf oftmals nicht schön sein. Sie verpackt ja nicht immer nur Entspannungsmusik und eingängige Sounds, sondern häufig Punk, Rap, Metal, Independent Music und ähnliches – zornige, laute, anklagende, kritische, grenzwertige oder experimentelle Klänge. Analog dazu sollen die Cover aufrütteln, verstören, erschrecken, abstoßen, verwundern, nachdenklich oder neugierig machen. All das findet man hier. Hübsche Cover bietet „Art Record Covers“ ebenfalls, doch die sind klar in der Minderheit. Stattdessen: Kunst an den Grenzen der Kunst für Musik an den Grenzen der Musik.

Neben mehr als 500 Plattencover enthält das Buch auf den ersten 69 Seiten auch einigen Text – jedes Kapitel nacheinander in Englisch, Deutsch und Französisch abgedruckt und mit Beispielen illustriert. Eine Einleitung skizziert die Geschichte von anfänglich schlichten Kartonhüllen zu den heutigen Kunstwerken. Ihr folgen Interviews mit Tauba Auerbach, Shepard Fairey, Kim Gordon, Christian Marclay, Albert Oehlen und Raymond Pettibon – allesamt Künstler, die zahlreiche Cover entworfen haben und teilweise auch selbst Musiker sind. Das Blättern im bunten Buch ist schon reizvoll. Doch erst die Interviews wecken Verständnis für die Kunst und die teils schrägen Motive. Indem die Künstler über ihre Zusammenarbeit mit Musikern und die Entstehung von Covern berichten und uns an ihrer persönlichen Entwicklung teilhaben lassen, fügen sie ihren Grafiken eine weitere Dimension hinzu und füllen sie erst mit Leben.

Wir finden hier die persönliche Auswahl von Francesco Spampinato, Kunsthistoriker und zur Zeit an der Universität Sorbonne Nouvelle in Paris tätig, und Julius Wiedemann, Grafikdesigner und Kunstredakteur. „Die Intention dieses Buches ist (…), das Plattencover als vollkommenes Medium für einen erweiterten Kunstbegriff zu präsentieren“, schreibt Spampinato. Aber nicht nur Randbereiche sind vertreten, sondern auch prominente Künstler wie Joseph Beuys, Salvador Dali, Roy Lichtenstein, Henri Matisse, Joan Miró, Pablo Picasso, Gerhard Richter, Victor Vasarely, Andy Warhol und Ai Weiwei. Von Andy Warhol stammen neben etlichen anderen das John-Lennon-Album vorne auf dem Buch sowie die bekannten und ebenfalls formatfüllend abgebildeten Cover von Velvet Unterground and Nico mit der Banane und das bereits erwähnte „Sticky Fingers“ der Rolling Stones. Daher sagt Spampinato auch zutreffend: „Jeder kann sich seine Kunstsammlung aufbauen, denn viele der Platten sind günstig auf dem Flohmarkt, in Plattenläden oder online erhältlich.“

© Taschen-Verlag
Ich kann „Art Record Covers“ jedem Musikfreund empfehlen, für den Musik mehr ist als nur MP3-Downloads – jedem, der sich auch für die Albumkunst interessiert und mehr über ihre Hintergründe erfahren möchte. Darüber hinaus dürfte dieses Werk zeitgenössischen Künstlern durch seine Vielfalt und Bandbreite der künstlerischen Ideen mancherlei Anregungen bieten.

Dienstag, 4. April 2017

The Magic of Santana featuring Alex Ligertwood & Tony Lindsay – Live In Spain 2016 (CD 2017)

Auch Spanier mögen Santana-Musik – sehr sogar. Und wenn Carlos sich dort jahrelang nicht blicken lässt, freuen sie sich über die großartige Tributeband The Magic of Santana in Begleitung der beiden ehemaligen Santana-Sänger Alex Ligertwood und des mit elf Grammys ausgezeichneten Tony Lindsay. Sie kommen dem Original erstaunlich nah. Davon kann man sich bei jedem Konzert überzeugen. Und eindrucksvoll demonstrierten sie dies auch auf ihrer Spanientour im Januar und Februar 2016, als sie diverse Hallen zum Kochen brachten und die Fans begeisterten.


Mehr als 73 Minuten an feurigem Beweismaterial aus verschiedenen Konzerten befinden sich nun auf ihrer frisch erschienenen ersten CD "Live In Spain 2016“ (auch als MP3-Download verfügbar). Das sind die folgenden elf Titel:

1. Wham! (Live in La Nucia)
2. É Papa Ré (Live in La Nucia)
3. Somewhere In Heaven (Live in Murcia)
4. Maria Maria (Live in Murcia)
5. Europa (Live in Alicante)
6. She’s Not There (Live in Castelló de la Plana)
7. Black Magic Woman (Live in Alicante)
8. Gypsy Queen (Live in Alicante)
9. Oye Como Va (Live in Alicante)
10. Open Invitation (Live in Castelló de la Plana)
11. Jingo Lo Ba (Live in Castelló de la Plana)

Wie soll man "Wham!" übersetzen? "Rumms!" vielleicht – und das passt, denn der Song ist ein Kracher. Ihn so originalgetreu hinzukriegen, bei all der komplexen Percussion, ist eine echte Herausforderung. The Magic of Santana meistert sie bravourös. Muchas Gracias Jürgen Pfitzinger, Andreas Rohde, Pablo Escayola und Oliver Steinwede. Und dann beginnt "É Papa Ré", wie man es vom Santana-Album "Zebop!" kennt, einschließlich der Stimme von Alex Ligertwood. Einfach genial. Nur die Band ist eine andere, obwohl sie praktisch genauso klingt wie Santana. "É Papa Ré" und der folgende Song sind übrigens von Alex mitkomponiert. "Somewere In Heaven" ist dem drei Monate zuvor verstorbenen Raul Rekow gewidmet, der 37 Jahre lang bei Santana Congas spielte und der seine letzten Konzerte zusammen mit The Magic of Santana, Alex Ligertwood und Tony Lindsay gab. Sehr gefühlvoll und bewegend rufen die Stimmen von Alex und Tony und die Gitarre von Gerd Schlüter ihm nach.

Raul war bei Santana auch für die afrikanischen Chants zuständig. Das "Ahora Venga Mama Chola Mama Chola" bei "Maria Maria" ist beispielsweise von ihm. Der Song stammt vom Album "Supernatural" (1999), mit dem er, Tony Lindsay und die anderen Santana-Musiker die erwähnten elf Grammys abräumten.

Doch zurück zu älteren Songs. "Europa" mit einem schönen Gitarren-Dialog von Gerd Schlüter und Olli Schröder geht unter die Haut und bezaubert das Publikum. Bei "She's Not There" setzen sich auch Keyboards und Hammondorgel von Chris Haertel fein in Szene. Und natürlich das Percussion-Ensemble. Dabei zupft Martin Hohmeier stets akkurat den Bass und trägt seinen Teil zum überzeugenden Groove bei.

Umwerfend ist die trimagische Songstafette "Black Magic Woman/Gypsy Queen/Oye Como Va". Gesondert hervorgehoben sei hier ein schönes Duett zwischen Bass und Congas bei "Gypsy Queen". Einfach klasse! Bei "Oye Como Va" darf natürlich ein kleiner Ausflug zu "Owner Of A Lonely Heart" von Yes nicht fehlen, der bei Santana ebenfalls üblich ist. Den Abschluss bilden ein furioses "Open Invitation" sowie "Jingo Lo Ba" von Santanas Debütalbum (1969). Donnernde Percussion und ein wummernder Bass reißen den Hörer mit, bevor die Hammondorgel einsetzt, gefolgt von den ersten Chants. Gitarren kommen erst relativ spät hinzu. Das Original von Babatunde Olatunji (1959) besteht sowieso nur aus Percussion und Chants.

Insgesamt bringt die CD ungezügelte Spielfreude rüber, wie sie für The Magic of Santana typisch ist und wie sie offenbar das heißblütige spanische Publikum berauscht hat. Obendrein ist der Sound transparent abgemischt. Ich bin der Meinung, jedes einzelne Instrument hören zu können. Auch die Tontechniker haben also einen prima Job abgeliefert. Und die abschließenden Choräle des Publikums klingen wie im Fußballstadion… da ist Spanien ja sowieso nicht schlecht aufgestellt…

Die Jungs haben soviel Eindruck hinterlassen, dass die nächste Spanientour für November 2017 bereits vorbereitet wird.

Mittwoch, 22. März 2017

CD-Release-Party mit Alex Ligertwood und Tony Lindsay in Buchholz

Buchholz in der Nordheide – 16. März 2017 – am Abend eines sonnigen Vorfrühlingstages. Es ist die Party zur Veröffentlichung der soeben erschienenen CD "Live In Spain 2016". Und es soll ein verkürztes Set werden – mit Live-Stream auf YouTube und Videodreh für eine neue DVD, der ich erwartungsvoll entgegenfiebere. Aber dann kann The Magic of Santana mit den langjährigen Santana-Sängern Alex Ligertwood und Tony Lindsay es doch mal wieder nicht lassen – und niemand, der sie kennt, wundert sich. Wie gewohnt packt Spielfreude die Musiker vor dem begeisterten heimischen Publikum, vor Freunden und Fans. So kommt zur Zugabe eine weitere Zugabe – und am Ende dauert das Konzert geschlagene eindreiviertel Stunden. Kürzer zwar als normal, aber weitaus länger als für diesen speziellen Abend geplant.

The Magic of Santana sind Gerd Schlüter (Gitarre), Andreas Rohde (Timbales, Percussion), Jürgen Pfitzinger (Congas, Percussion), Pablo Escayola (Congas, Percussion), Oliver Steinwede (Schlagzeug), Martin Hohmeier (Bass), Olli Schröder (Gitarre) und Jens Skwirblies (Hammond, Keyboards). Dazu die Special Guests Alex Ligertwood (Gitarre, Gesang) und Tony Lindsay (Gesang), die viele Jahre lang Mitglieder von Santana waren und die The Magic of Santana unter anderem auf der Spanien-Tour 2016 begleitet haben.

Es war – wie immer – ein magischer Abend. Wir schwebten… und es dauerte Stunden, bis meine Lieblingsfotografin und ich lange nach dem Genuss der neuen CD und zu reichlich fortgeschrittener Zeit wieder sanft auf der Erde landeten…

Alex Ligertwood
Tony Lindsay
Gerd Schlüter
Jürgen Pfitzinger
Andreas Rohde
Jens Skwirblies
Martin Hohmeier
Oliver Steinwede
Olli Schröder
Pablo Escayola (links)
Langjährige Santana-Sänger
Saitenweise Musik
Pecussion-Power

Sonntag, 5. Februar 2017

Santana – Corazón (2014)

"Corazón" (Herz) ist Carlos' erstes Album nahezu komplett in Spanisch. Nun, mir persönlich ist die Sprache relativ egal, solange die Musik gut ist, was durchweg der Fall ist. Einige Titel möchte ich jedoch herausheben.


"Oye 2014" bietet eine interessante Auffrischung des von Tito Puente geschriebenen Santana-Hits "Oye Como Va" (1970). Songsamples werden begleitet von Gesangs- und Rapeinlagen von Jovany Javier und Ximena Muñoz sowie einem neu eingespielten Gitarrensolo von Carlos. Den Mix (und auch diverse andere auf diesem Album) hat Tony Maserati erstellt. Auch das von Bob Marley stammende "Iron Lion Zion" wird teilweise gesampled. Anders das wehmütige "Una Noche En Nápoles" – im Original "Una Notte A Napoli" von Pink Martini – hier gesungen von Lila Downs, Niña Pastori und Soledad und begleitet von Carlos Santana mit einer 12-saitigen Akustikgitarre. Es erzählt von dieser traurig-schönen Nacht unter dem Mond und am Meer Neapels, in der ein Engel ihr Herz brach und sie im Himmel verließ. Das intensive "Yo Soy La Luz" (Ich bin das Licht) mit Wayne Shorter am Saxophon beginnt gefühlvoll und kulminiert mittendrin in einer wilden musikalischen Orgie. "I See Your Face" – ein kurzes Instrumental zum Abschluss – ist einfach eine berührende Liebeserklärung.

"Corazón" ist das letzte Album mit Raul Rekow. Er verlässt Santana im Sommer 2013 nach 37 Jahren. Am 1. November 2015 erliegt er im Alter von nur 61 Jahren einem Lungenkrebsleiden.

Sonntag, 8. Januar 2017

Santana Live At The Fillmore 2008

Eine ganze Reihe von Santana-Konzertmitschnitten ist mittlerweile neben den offiziellen DVDs erschienen, beispielsweise “Hammersmith ’76” vom 16. Dezember 1976 im Hammersmith Odeon in London, ”The Nagano Session” mit Jeff Beck und Steve Lukather vom 1. Juni 1986, “At Budokan – Live In Tokyo” vom 21. Mai 1991 oder ”At Udo Music Festival” in Shizuoka, Japan, vom 23. Juli 2006. Stellvertretend für diese und weitere sei “Live At The Fillmore” vom 20. und 21. Mai 2008 vorgestellt, weil Carlos Santana hier an seine alte Wirkungsstätte in San Francisco und gewissermaßen an den Geburtsort von Santana zurück kehrt.


Denn bis 1968 betreibt Bill Graham das Fillmore Auditorium in der Fillmore Street, Ecke Geary Boulevard. Hier nimmt er die Santana Blues Band unter seine Fittiche und fördert die jungen Musiker. Aufgrund von Rassenunruhen in der Nachbarschaft zieht er um und gründet das Fillmore West im ehemaligen Carousel Ballroom in der Market Street, Ecke South Van Ness Avenue. Dessen Ende 1971 zelebriert der langjährige Santana-Freund und Manager mit einem mehrtägigen Abschiedskonzert, von dem unter anderem das 3-LP-Set ”The Last Days Of Fillmore” zeugt. Darauf spielt Santana neben vielen anderen Bands wie den Grateful Dead, Jefferson Airplane, Hot Tuna, Quicksilver Messenger Service und It’s A Beautiful Day. Es ist auch ihr eigenes Abschiedskonzert, bevor die Originalbesetzung auseinander bricht.

1994 wird das sanierte Fillmore Auditorium in der Fillmore Street als The Fillmore wiedereröffnet. Dort also – unter mindestens acht imposanten Kronleuchtern – entsteht die vorliegende Aufnahme des Santana-Heimspiels. An ”The Last Days Of Fillmore” erinnern einige Takte des Songs ”Greensleeves”, die Carlos vor ”Smooth” seiner Gitarre entlockt. Das sentimentale ”Greensleeves” folgte damals nämlich als letzter Titel des Albums Bill Grahams “Goodbye”.

Die DVD ist ein sauberer Mitschnitt eines besonders stimmungsvollen Auftritts. Bild und Ton sind einwandfrei. Keine Extras, kein Brimborium, keine Gäste, allerdings auch lediglich spärliche Informationen. Einfach nur 94 Minuten mit feiner Musik zum Genießen. Und wenn man um die Bedeutung des Ortes für Carlos weiß und andere Details kennt, kann man erahnen, warum er ”I Love You Much Too Much” mit so besonders großer Inbrunst und offensichtlicher Rührung spielt – und im Anschluss ”Somewhere In Heaven”. Denn von dort schaut Bill Graham zu. ”I Love You Much Too Much” war einer seiner Lieblingstitel. Carlos hat ihn daher auch bei der Trauerfeier für seinen Freund nach dessen Hubschrauberabsturz 1991 gespielt.

Sonntag, 1. Januar 2017

Santana – Santana IV (2016)

Warum heißt dieses Album “Santana IV”, wenn es nach meiner persönlichen Zählweise bereits das vierundvierzigste und nach offizieller Zählung ungefähr das werweißwievielte ist? Nun, nach Jahrzehnten hat sich die alte Santana-Formation wieder zusammengefunden, die nach dem dritten Album “Santana III” 1971 im Knatsch auseinander gegangen ist. Das sind Carlos Santana (Gitarre, Gesang), Gregg Rolie (Hammondorgel, Keyboards, Gesang), Michael Shrieve (Schlagzeug), Michael Carabello (Congas, Percussion, Gesang) und Neal Schon (Gitarre, Gesang). Also trägt ihr Folgealbum ungeachtet der zwischenzeitlich verflossenen Jahrzehnte die Nummer Vier. Hier spielt allerdings nicht ganz die damalige Besetzung. Bassist David Brown starb am 4. September 2000 nach langer Krankheit an Leber- und Nierenversagen – Spätfolgen seines exzessiven Drogenkonsums. Timbalero José “Chepito” Areas fehlt aus mir nicht bekannten Gründen. Die beiden werden ersetzt durch die aktuellen und mittlerweile auch schon langjährigen Santana-Mitglieder Benny Rietveld (Bass) und Karl Perazzo (Timbales, Percussion, Gesang). Hinzu kommt bei zwei Songs Ronald Isley (Gesang) von den Isley Brothers.


Über das Zerbrechen der Band 1971 erzählt Carlos Santana in seiner Biografie (S. 297 f): “Ich spürte, dass es schmerzliche Reibereien zwischen einigen Mitgliedern gab, und ich bin sicher, die anderen spürten es ebenfalls. Was dann geschah, musste geschehen. Wenn etwas vorbei ist, dann ist es vorbei. (…) Anfangs hatten wir einander unterstützt, dann hatten wir einander toleriert und schließlich waren wir zwei Bands in einer gewesen, mit musikalischen und philosophischen Konflikten. Auf der einen Seite standen Gregg und Neal, die mehr Rocktitel spielen wollten, und auf der anderen Seite Shrieve und ich. Chepito ging immer seinen eigenen Weg – er widmete sich seinen eigenen Zerstreuungen und kümmerte sich nie wirklich darum, was die Band tat oder wohin sie ging. Er schrieb Songs, und sein Sound wird immer ein wichtiger Teil der Band sein. Doch bei allen Veränderungen, die es bei Santana gab, schien er immer auf der Spielerbank zu sitzen. Er nahm nie richtig am Spiel teil.”

Neal Schon und Gregg Rolie gründen die sehr erfolgreiche Rockband Journey. “Shrieve und ich glichen eher Gärtnern, die wollten, dass unsere Musik sich ein bisschen entspannte und von selbst wuchs. Wir hörten Jazz und dachten über Jazz und Rhythmen nach” (Carlos Santana, S. 298). Daraus entwickeln sich die wunderbaren Alben “Caravanserai” (1972), “Welcome” (1973) und “Borboletta” (1974). Aber das ist eine andere Geschichte. Darüber verlieren die Musiker sich jedoch nie aus den Augen. Zuletzt touren Santana und Journey sogar gemeinsam durch die USA getourt. Und so kommt es zu diesem neuen Projekt "Santana IV".

“Yambu” führt uns gleich zu den afrikanischen Wurzeln der Musik. Beim rockigen “Shake It” schimmert der Journey-Einfluss durch. “Anywhere You Want To Go” lässt mich endlich an die alte Santana-Band denken. Wobei der Sound natürlich nicht derselbe sein kann, weil beispielsweise Carlos Santana andere Gitarren und Verstärker verwendet und insgesamt einen anderen Sound schätzt als seinerzeit. Mit Blick auf Gregg Rolie lässt sich hingegen erfreut feststellen: Hammond B3 bleibt Hammond B3. “Santana IV” hat mit “Santana III” auch gemeinsam, dass Neal Schons Gitarre überwiegend aus dem linken und Carlos’ Gitarre aus dem rechten Lautsprecher kommt.

“Fillmore East”, der längste Titel, blendet ein und schwebt luftig und filigran vor sich hin – etwa im Stil der ausgedehnten Jams, die Santana in ihrer Frühzeit – noch vor Woodstock und dem ersten Album – in Bill Grahams Fillmore Auditorium hingelegt haben – ein großartiger Song. Wobei das Fillmore East freilich nicht wie das Fillmore Auditorium und das spätere Fillmore West in San Francisco, sondern in New York beheimatet war. “Love Makes The World Go Round” ist wieder eine Rocknummer mit viel Percussion und der Stimme von Ronald Isley. Ebenso “Freedom In Your Mind”, welches in der zweiten Hälfte durch feurige Soli von Gregg Rolie, Neal Schon und Carlos Santana gewürzt wird. “Choo Choo/All Aboard” schlägt vom Rhythmus her in der Nähe von “Jingo” seine Zelte auf. Das verträumte und ergreifende “Sueños” (Träume), eingangs mit akustischer Gitarre gespielt, lässt mich an ”En Aranjuez Con Tu Amor” vom Album ”Santana Brothers” denken. Es nimmt zwischendurch orchestrale Züge an, bis zum Ende hin Gregg Rolies Klavier beinahe zärtlich erklingt.

Mit “Caminando” wird es wieder rockig. So hat Santana sich zuletzt oft angehört. “Blues Magic” ist, wie der Name verrät, ein Blues, sehr intensiv und für mich mit einem Hauch von Peter Greens “Black Magic Woman” beseelt. Selbst der Gesang erinnert an Peter Green. “Echizo” ist ein weiteres Beispiel für Songs, wie ich sie auf diesem Album erhofft habe. Da scheint der alte Santana-Geist aufzuerstehen. “Leave Me Alone” schlägt in dieselbe Kerbe. “You And I” ist zunächst langsam, nimmt in der Mitte aber Tempo auf und bleibt durchgängig gefühlvoll. “Come As You Are” spielt mit fröhlichen Soca-Elementen aus der Karibik. “Forgiveness” irrt melancholisch und ein wenig konturlos umher, wiederum mit Jam-Charakter, aber viel düsterer als “Fillmore East”.

Dass “Santana IV” nahtlos an “Santana III” anknüpft, war angesichts der langen Pause und der individuellen Wege dieser Musiker nicht unbedingt zu erwarten, ist bis zu einem gewissen Grad aber überraschend gut gelungen. Herausgekommen ist ein sehr schönes und frisches Album, das vielleicht nicht alle, doch viele Wünsche erfüllt und einige echte Leckerbissen bietet. Ich bin sehr erfreut, dass die alten Freunde auf Anregung und unter dem Drängen von Neal Schon wieder gemeinsam ins Studio gegangen sind und solch harmonische Musik geschaffen haben. Ein ähnliches Projekt – allerdings ohne Carlos – hat es übrigens 1997 mit “Abraxas Pool” bereits gegeben.


Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Cover mit dem Löwenkopf und der Figur in der Mitte (von der Nase des Löwen aufwärts) die Grafik des Santana-Debütalbums von Lee Conklin (1969) aufgreift, in dem sich neben einer Gestalt sieben weitere Köpfe verstecken. Bei “Santana IV“ freilich stellt die Figur einen Engel dar …